Die jüngsten Berichte über Engpässe bei Medikamenten und steriler Kochsalzlösung sorgen für besorgte Mienen. Doch wie gefährlich sind diese Engpässe tatsächlich? Ulrike Holzgrabe von der Universität Würzburg beruhigt teilweise: Ein Engpass bedeutet nicht immer gleich eine Versorgungslücke. Bei Blutdruckmitteln beispielsweise ist es meist unproblematisch, auf Alternativen auszuweichen, während Engpässe bei Antibiotika deutlich schwerwiegender sind. Der Wechsel auf ein anderes Antibiotikum bleibt nämlich nur die zweitbeste Lösung. Auch bei Asthmamitteln wie Salbutamol und bei ADHS-Medikamenten wie Atomoxetin traten zuletzt Engpässe auf — eine schwer zu substituierende Lücke.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dokumentiert fortlaufend die Meldungen zu kritischen Lieferengpässen. Aktuell sind fast 500 Medikamente betroffen, eine Zahl, die sich im Vergleich zum letzten Jahr kaum verändert hat. David Francas von der Hochschule Worms stellt fest, dass der langjährige Anstieg der Lieferengpässe wohl gestoppt ist, und betont, dass nicht jeder Engpass gleich relevant für die Patienten sein muss.
Trotz Bemühungen des Gesundheitsministeriums, wie dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) von Minister Karl Lauterbach, scheint sich die Situation nur schleichend zu verbessern. Francas sieht die Ursache in den niedrigen Preisen für breite Versorgung, was den Markt für viele Hersteller uninteressant machen könnte. Monopole erschweren zusätzlich die Situation, da wenige Hersteller naturgemäß risikobehaftet sind.
Die strengen Regulierungen in Deutschland, die beispielsweise besagen, dass in einem Werk nur ein einziges Antibiotikum produziert werden darf, schrecken viele Hersteller ab. In Ländern wie China ist dies anders. Dennoch gibt es Hoffnung. Die EU arbeitet bereits an einer Liste von Medikamenten, die zukünftig in Europa hergestellt werden sollten, um die Abhängigkeit von asiatischen Produzenten zu verringern.
Die Engpässe bei Kochsalzlösungen sollen kurzfristig mit Importen überbrückt werden. Bundesgesundheitsminister Lauterbach kündigte an, übergangsweise eine Lösung zu schaffen. Die Situation verdeutlicht die Fragilität der global vernetzten Lieferketten, die schon durch Naturkatastrophen oder Produktionsprobleme beeinträchtigt werden können.