Die Waffen sprechen, die Worte beschwichtigen. Während in der Nacht zum Donnerstag mindestens zwölf Menschen bei einem russischen Luftangriff auf Kiew ums Leben kommen, verkündet Russlands Außenminister Sergej Lawrow fast zeitgleich im US-Fernsehen diplomatische Fortschritte.
In einem Interview mit CBS erklärt Lawrow, Teile eines möglichen Abkommens zwischen Russland und den USA zur Beendigung des Ukraine-Kriegs müssten „nur noch feinjustiert“ werden.
Doch der Widerspruch zwischen Wort und Tat könnte kaum größer sein.
Lawrow verspricht Verhandlungsfortschritte
„Wir sind genau mit diesem Prozess beschäftigt“, sagt Lawrow.
Der Deal mit den USA – nicht etwa mit der Ukraine – sei in Reichweite. Solche Aussagen kennt man aus Moskau seit Beginn des Krieges.
Verhandlungen als rhetorisches Druckmittel, während die militärische Realität Fakten schafft. Dass Lawrow einen möglichen Durchbruch andeutet, während russische Raketen auf Wohnviertel niedergehen, wirft Fragen zur Ernsthaftigkeit dieser Friedenssignale auf.
Aus ukrainischer Sicht sind die Luftangriffe nicht nur eine militärische Eskalation, sondern auch ein direkter Affront gegenüber der Idee diplomatischer Annäherung. In Kiew spricht niemand von einem bevorstehenden Abkommen – im Gegenteil: Präsident Selenskyj betont weiter, ohne Rückzug russischer Truppen sei ein Frieden ausgeschlossen.

Trumps Einmischung: Diplomatie via Truth Social
Ungewöhnlich deutlich äußerte sich auch Ex-US-Präsident Donald Trump. Auf seiner Plattform Truth Social forderte er Wladimir Putin zum sofortigen Stopp der Angriffe auf.
In typischer Manier schrieb Trump: „Wladimir, STOPP!“ – und legte nach: Die Bombardierungen seien „nicht notwendig“ und „kämen zu einem sehr schlechten Zeitpunkt“.
Trump versucht sich erneut als Deal-Maker zu inszenieren. Bereits während seiner Amtszeit hatte er sich demonstrativ mit Putin gezeigt, nun lobt Lawrow Trumps Haltung regelmäßig öffentlich. Doch im Weißen Haus regiert derzeit Joe Biden – und dort ist die Linie gegenüber Moskau ungleich härter.
Die Trump-Intervention ist mehr als nur Wahlkampfgeplänkel: Sie sendet ein verwirrendes Signal in einer Phase, in der Geschlossenheit im westlichen Bündnis dringend notwendig wäre.
Ein Deal ohne Kiew?
Auffällig ist: Lawrow spricht in der Öffentlichkeit fast ausschließlich von Gesprächen mit den USA – nicht mit der Ukraine selbst. Es ist ein geopolitischer Verhandlungsansatz im Stil des Kalten Krieges: Zwei Großmächte, die über die Köpfe anderer hinweg einen neuen Status quo definieren. Für die Ukraine wäre das ein diplomatischer Rückschritt.
Dass Moskau Washington als Hauptgesprächspartner betrachtet, hat strategische Gründe. In Kiew ist der Handlungsspielraum für Konzessionen eng – nicht zuletzt wegen des öffentlichen Drucks.
Die USA hingegen könnten, so offenbar die Hoffnung der russischen Führung, zu einem „großen Kompromiss“ bewegt werden, wenn Trump 2025 wieder ins Amt käme.
Friedensrhetorik oder Nebelkerze?
Lawrows Formulierung von der „Feinjustierung“ eines Abkommens klingt technokratisch, fast harmlos – als seien nur noch redaktionelle Details zu klären. Tatsächlich aber gibt es keine Anzeichen für substanzielle Zugeständnisse Russlands.
Die Frontlinie ist eingefroren, nicht befriedet. Die Angriffe auf ukrainische Infrastruktur und Städte dauern an, der politische Wille zur vollständigen Rücknahme der Invasion bleibt in Moskau unsichtbar.
Zudem steht Lawrow international längst unter dem Verdacht, gezielt Nebelkerzen zu zünden, um Verwirrung und Spaltung in den westlichen Reihen zu stiften. Die Methode: Diplomatische Gesprächsbereitschaft signalisieren, während auf dem Schlachtfeld der Druck erhöht wird.
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