Zwei Märkte, zwei Welten
China ist das unangefochtene Schwergewicht im globalen Schiffbau. Zwei von drei Frachtschiffen stammen mittlerweile aus chinesischen Werften, die sich mit staatlicher Unterstützung und aggressiven Preisen nahezu alle Großaufträge sichern. Doch in einem Bereich sieht es ganz anders aus: Kreuzfahrtschiffe kommen fast ausschließlich aus Europa.
Die Zahlen sprechen für sich. Laut der Cruise Lines International Association werden 97 Prozent aller Kreuzfahrtschiffe in europäischen Werften gebaut. Unternehmen wie die Meyer Werft in Papenburg, Fincantieri in Triest oder Chantiers de l’Atlantique in Saint-Nazaire dominieren diesen Markt – und das seit Jahrzehnten.
„Mit Ausnahme der High-End-Schiffstypen wird die globale Schiffbauindustrie zunehmend von China dominiert.“ Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbands Schiffbau und Meerestechnik.
Frachtschiffbau: Die Macht des Preises
Im Frachtschiffbau hat China ein beeindruckendes Tempo vorgelegt. Seit 2005 hat das Land seine Produktionskapazitäten alle zwei Jahre um das Volumen der gesamten EU erweitert.
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Das Ergebnis: 2024 sicherten sich chinesische Werften Aufträge für Containerschiffe mit einer Gesamtkapazität von 3,6 Millionen Standardcontainern. Südkorea, einst die Nummer eins im Handelsschiffbau, kommt dagegen nur noch auf 660.000 Einheiten.
Branchenexperten sehen den Hauptgrund in den subventionierten Preisen. „Chinas Werften können auf staatliche Unterstützung zählen und bieten unschlagbare Konditionen“, sagt ein Analyst. Diese Strategie hat Folgen: Europa ist bei Handelsschiffen kaum noch konkurrenzfähig, und Südkorea verliert weiter an Boden.
Luxusliner: Europas sichere Festung
Bei Kreuzfahrtschiffen zeigt sich ein völlig anderes Bild. In diesem Marktsegment ist Europa klar führend – technologisch und wirtschaftlich. Hier geht es nicht nur um große Schiffe, sondern um schwimmende Städte mit erstklassigem Komfort, modernster Umwelttechnik und hohem Sicherheitsstandard.
Ein Beispiel: Die „Global Dream“, eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, wird derzeit in der MV-Werft fertiggestellt. 342 Meter lang, 20 Decks hoch – ein technisches Meisterwerk, das zeigt, warum asiatische Werften in diesem Segment kaum mithalten können.
Ein lukrativer Markt
Kreuzfahrtschiffe sind nicht nur technologisch anspruchsvoller, sondern auch finanziell ein anderer Maßstab. Während ein Frachtschiff für rund 200 Millionen Euro zu haben ist, kostet ein moderner Kreuzer wie die „Aida“ oder die „Disney Wish“ bis zu 1,5 Milliarden Euro.
Kein Wunder also, dass europäische Werften mit prall gefüllten Auftragsbüchern rechnen können. Laut Branchenzahlen sind aktuell Neubestellungen im Wert von 57 Milliarden Dollar in Arbeit. Ein Boom, der anhalten dürfte – allein TUI Cruises meldet für 2025 eine Flottenauslastung von über 100 Prozent.
Die Schere geht weiter auseinander
Die globale Schifffahrt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen rund 6600 große Containerschiffe, die die Lieferketten am Laufen halten. Auf der anderen Seite gibt es lediglich etwa 500 große Kreuzfahrtschiffe, deren Zahl aber kontinuierlich steigt.
Die Baukosten und die Zielgruppen könnten unterschiedlicher kaum sein. Frachtschiffe sind Massenware, Kreuzfahrtschiffe individuelle Prestigeprojekte. Diese Unterschiede sichern Europas Werften eine einzigartige Position in der Welt.
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