Eine kürzlich veröffentlichte Studie sorgt für Diskussionsstoff in England: Die Finanzierung kostspieliger neuer Medikamente in den letzten zwei Jahrzehnten hätte laut der Untersuchung anderweitig im Gesundheitsdienst besser genutzt werden können. Der im Fachjournal The Lancet veröffentlichte Bericht legt nahe, dass der Einsatz solcher Medikamente zwar zusätzliche Lebensjahre in voller Gesundheit ermöglichte, jedoch zu Lasten anderer Gesundheitsbereiche ging, die mehr Patienten hätten helfen können.
Die Analyse von Gesundheitsdaten zwischen 2000 und 2020 zeigt, dass der Einsatz neuer Medikamente, darunter der Krebsbehandlung Trastuzumab, 3,75 Millionen zusätzliche gesunde Lebensjahre für 75 Milliarden Pfund ermöglichte. Die Autoren argumentieren jedoch, dass eine Umleitung dieser Mittel in bestehende Gesundheitsleistungen, wie z.B. frühere Krankheitsdiagnosen, 5 Millionen gesunde Lebensjahre hätte hinzufügen können.
Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Kosten-Nutzen-Verhältnisse neuer Medikamente. Der Bericht zeigt Unterschiede auf: Die NICE-Grenze für Kosteneffektivität beträgt 30.000 Pfund pro qualitätsbereinigtem Lebensjahr, während das NHS typischerweise 15.000 Pfund für gleichwertige Gesundheitsergebnisse ausgibt.
Die Studie, mit Forschern von der London School of Economics, der Universität York und der Brown University, verstärkt die Debatte über Medikamentenpreise. Trotz einer kürzlich getroffenen Vereinbarung zwischen der britischen Regierung und der Pharmaindustrie bleibt die NICE-Kostenschwelle bis 2029 unverändert. Die Autoren um Huseyin Naci fordern eine Überprüfung dieser Schwelle, um bessere Preise für innovative Medikamente zu verhandeln.
Ein NHS-Sprecher betont indes die Fortschritte innovativer Medikamente bei der Lebensqualität und die führende Position des NHS im Einsatz kostengünstiger Biosimilar- und Generikamedikamente. Ein Sprecher von NICE hebt die Bedeutung ihrer Rolle hervor, um eine gerechte und kosteneffiziente Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Gleichzeitig warnt Victoria Jordan von der Association of the British Pharmaceutical Industry, dass wirtschaftliche Modelle nicht immer den vollen Nutzen neuer Behandlungen für Patienten und Gesellschaft erfassen.