Aus der Heimat auf die Alpen
Es ist ein leiser Abschied mit weitreichenden Folgen. Komoot, eine der erfolgreichsten deutschen Apps der letzten Jahre, wechselt den Besitzer – und damit womöglich auch ihre DNA.
Der neue Eigentümer: Bending Spoons, ein italienisches Softwareunternehmen mit Ambitionen und einer klaren Expansionsagenda. Der Preis bleibt geheim, die Richtung nicht: Es ist die Geschichte eines Hidden Champions, der nun kein deutscher mehr ist.
Ein Start-up wird erwachsen – und verkauft
Was 2010 als Freizeitidee wanderbegeisterter Studenten begann, wurde zu einer der meistgenutzten Outdoor-Apps Europas.
Mehr als 45 Millionen Menschen planen ihre Radtouren, Wanderungen oder Laufrouten mit Komoot – in einer App, die von vielen für ihre Benutzerfreundlichkeit, Detailtiefe und Community-Funktionen geliebt wird. Die Firma wuchs langsam, aber stetig, blieb unabhängig, finanzierte sich ohne klassische Venture-Capital-Logik und schrieb früh schwarze Zahlen.
Nun also der Exit. CEO Markus Hallermann erklärte, dass die Weiterentwicklung des Produkts und das Wachstum des Unternehmens eine neue Phase eingeleitet hätten, die er und das Gründerteam allein nicht mehr stemmen könnten.
Bending Spoons bringe genau das mit: das „Mindset und die Fähigkeiten“, um Komoot zu skalieren – international, schneller, breiter.
Bending Spoons: Digitaler Investor mit harter Kante
Der neue Eigentümer ist kein Unbekannter. Bending Spoons mit Sitz in Mailand hat sich in den vergangenen Jahren systematisch ein digitales Portfolio aufgebaut.

Mit dem Kauf von Evernote oder WeTransfer holte sich das Unternehmen etablierte Marken ins Haus – oft verbunden mit tiefgreifenden Umbauprozessen, bei denen große Teile der Belegschaft ihren Job verloren.
Was das für Komoot bedeutet? Noch ist unklar, ob die neue Konzernmutter den bisherigen Kurs mitträgt oder eigene Prioritäten setzt. Die Aussagen von CEO Hallermann lassen immerhin hoffen, dass das Gründerteam weiterhin in die Entwicklung eingebunden bleibt – zumindest in einer Übergangsphase.
Aber: Übernahmen haben ihre eigene Logik. Und Komoot, einst ein Symbol für nachhaltiges, profitables Wachstum ohne Schnellschuss, wird künftig nicht mehr allein über seinen Kurs entscheiden.
Gründerkasse voll, Nutzerdaten international
Für die Gründer dürfte sich der Verkauf finanziell massiv gelohnt haben. Da die Komoot-Gruppe kaum externes Kapital aufnahm und das operative Geschäft profitabel war, lag der größte Teil der Anteile in den Händen der sechs Gründungspartner.
Bei einem geschätzten Unternehmenswert in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe spricht man in der Szene von einem „Goldenen Exit“. Auch der frühe Landesfonds-Investor, der 2020 bereits mit einer zwanzigfachen Rendite ausstieg, steht exemplarisch für das, was mit Weitsicht und lokalem Kapital möglich gewesen wäre.
Doch der Verkauf hat nicht nur eine unternehmerische Dimension, sondern auch eine datenpolitische. Denn mit dem Übergang zu einem italienischen Eigentümer – und damit letztlich in die Sphäre eines internationalen App-Konglomerats – wird auch der Datenschatz von Komoot neu verortet.
Millionen Bewegungsprofile, Standortdaten und Routennutzungen wandern mit ins neue Haus – ein Thema, das in Zeiten sensibler Digitaldebatten durchaus Gewicht hat.
Deutschland verliert ein digitales Aushängeschild
Die Übernahme ist ein weiteres Kapitel in der Liste jener deutschen Tech-Erfolgsgeschichten, die irgendwann aus dem Land verschwinden. Ob Wunderlist, Flaschenpost oder jetzt Komoot – wenn Produkte marktreif, profitabel und beliebt sind, schlägt häufig die Stunde internationaler Käufer.
Für den Standort Deutschland ist das ein Dilemma: Es fehlt an Geduld, an Kapital – und oft am Mut, solche Marken strategisch weiterzuentwickeln.
Komoot wäre ein ideales Beispiel gewesen für das, was in Europa möglich ist: ein nachhaltiges Geschäftsmodell, das nicht auf maximalem Wachstum, sondern auf Produktqualität und Nutzerbindung fußt. Dass nun Bending Spoons das Steuer übernimmt, zeigt zugleich: Wer Geld und Plattform hat, bekommt am Ende auch die Kontrolle.
Und die Nutzer?
Für Millionen Wanderfreunde dürfte sich kurzfristig wenig ändern – die App bleibt funktional, die Daten bleiben erhalten, die Touren ebenso. Die Frage ist eher, ob das Vertrauen in die Marke Bestand hat, wenn Entscheidungen nicht mehr in Potsdam, sondern in Mailand getroffen werden.
Und ob die App langfristig ein Produkt für Nutzer bleibt – oder zunehmend ein Vehikel für Plattformsynergien, User-Monetarisierung und internationale Bündelstrategien.
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