In deutschen Kliniken herrscht Alarmstimmung. Nicht wegen einer neuen Viruswelle oder komplexer Medikamente – sondern ausgerechnet wegen Kochsalzlösung, dem unscheinbaren Allrounder der Medizin.
Das Standardprodukt, bestehend aus Wasser und Salz, ist unentbehrlich für Infusionen, Medikamentenmischungen und chirurgische Eingriffe. Doch seit Monaten ist es knapp.
Lieferengpässe legen offen, wie fragil die Versorgungsstrukturen selbst bei den simpelsten pharmazeutischen Mitteln geworden sind.
Ein Nadelöhr mit globalen Ursachen
Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat mehrere Ursachen: Naturkatastrophen wie der Hurrikan "Helene" zerstörten in den USA Produktionsstätten. Hamsterkäufe und die Umleitung europäischer Kontingente in den hochpreisigen US-Markt verschärften die Knappheit zusätzlich.
Deutschlands Kliniken stehen nun vor vollen OP-Listen, aber leeren Regalen. Christian Wegner, Geschäftsführer des Jenaer Pharmaunternehmens Medipolis, bringt es auf den Punkt: „Ohne Kochsalzlösung bleibt alles stehen.“
Bürokratische Hürden bremsen schnelle Hilfe
Das Bundesgesundheitsministerium reagierte mit der Freigabe von Auslandsimporten – eine scheinbare Lösung, die neue Probleme mit sich bringt. Kliniken müssen sich durch ein Dickicht an Bürokratie kämpfen, die Regeln variieren je nach Bundesland.
„Der Aufwand ist enorm, und die Preise explodieren“, berichtet Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Gleichzeitig erklären Behörden, dass die Versorgung gesichert sei.
Die Realität in den Krankenhäusern erzählt jedoch eine andere Geschichte: Verzweifelte Telefonate, Notfallimporte aus der Türkei und vage Lieferzeiten belasten den Klinikalltag.
Kliniken stemmen sich gegen den Engpass
Trotzdem bleibt die Patientenversorgung stabil – noch. Mit Notfallplänen und reduzierter OP-Frequenz managen Krankenhäuser die Lage. „Es ist ein Kraftakt“, sagt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).
Unternehmen wie Fresenius und B. Braun haben die Produktion in Europa hochgefahren, doch der Markt bleibt angespannt. „Bis spürbare Entlastung eintritt, kann es Monate dauern“, schätzt Joern Leewe, Inhaber des Herstellers Burg Pharma.
Systemische Schwächen im Gesundheitssektor
Der Kochsalz-Engpass wirft ein Schlaglicht auf strukturelle Schwächen in der Arzneimittelversorgung. Lange Lieferketten, Abhängigkeit von wenigen Produzenten und die globale Preisentwicklung lassen selbst simple Produkte zur Krisenware werden.
„Wir müssen uns fragen, wie resilient unser Gesundheitssystem wirklich ist“, so ein Branchenexperte. Der Fall zeigt: Wenn die Basis bröckelt, wankt das gesamte System.
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