Weltweit wächst die Rolle der Atomkraft in den Energiesystemen – und das schneller als erwartet. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrem aktuellen Marktbericht ein Rekordniveau an Atomstrom für das Jahr 2025 angekündigt. Mehr als 70 Gigawatt neuer Kapazitäten werden derzeit gebaut, während die Laufzeit bestehender Kraftwerke massiv verlängert wird.
„Das Comeback der Kernkraft ist in vollem Gange“, erklärte IEA-Direktor Fatih Birol in Paris.
Atomenergie bleibt nach der Wasserkraft die zweitwichtigste emissionsarme Stromquelle der Welt. Doch der Blick auf Deutschland zeigt: Hier wird der Atomausstieg weiter als alternativlos verteidigt.
Laufzeitverlängerungen und SMR als Wachstumstreiber
Länder wie die USA, Frankreich und Japan setzen verstärkt auf die Laufzeitverlängerung bestehender Reaktoren. Laut IEA ergibt sich allein daraus ein Plus von 120 Gigawatt bis 2050. Dies gilt als kosteneffizienter Weg, um die Stromproduktion aus Kernkraft zu steigern.
Parallel dazu erleben Small Modular Reactors (SMR) – kleine, modulare Atomkraftwerke – einen Entwicklungsschub. In den USA planen Tech-Konzerne den Einsatz solcher Anlagen für energieintensive Rechenzentren.
Auch in Großbritannien, Schweden und Indien wird an SMR-Lösungen gearbeitet, die ab 2030 einsatzbereit sein könnten.
China auf dem Vormarsch
China nimmt eine Führungsrolle beim Ausbau der Atomkraft ein. Bis 2030 wird das Land die Kapazitäten der EU und der USA überholt haben. Gleichzeitig entwickelt China innovative Ansätze für den Einsatz von Mini-Reaktoren, etwa zur Meerwasserentsalzung oder Fernwärmeproduktion.
Während sich andere Industrienationen schwer tun, neue Atomkraftwerke im Kostenrahmen und Zeitplan fertigzustellen, zeigt Korea, dass es auch anders geht. Das Land hat erfolgreich Reaktoren in Abu Dhabi gebaut, die nahezu im geplanten Budget blieben.
Deutschland im internationalen Vergleich isoliert
In Deutschland bleibt die Kernenergie ein politisches Tabu. Der Atomausstieg, zuletzt im Zuge der Energiekrise noch einmal hinterfragt, wird weiterhin verteidigt.
Dabei bleibt das Land eine Ausnahme: Selbst Japan, das nach Fukushima alle Atomkraftwerke abschaltete, hat inzwischen wieder zehn Prozent seiner Stromproduktion auf Kernenergie umgestellt.
Für die IEA ist klar: Ohne Kernkraft sind die globalen Klimaziele kaum erreichbar. „Atomenergie ist unverzichtbar, um den Übergang zu einer CO₂-armen Wirtschaft zu schaffen“, betonte Birol.
Kostenexplosion und Verzögerungen
Die Atomkraft erlebt zwar eine Renaissance, aber nicht ohne Hindernisse. Große Neubauten in den USA und Frankreich – etwa Vogtle oder Flamanville – haben sich um ein Jahrzehnt verzögert und die ursprünglichen Kostenpläne weit überschritten. Diese Projekte zeigen, dass die Reaktivierung der industriellen Basis für Atomtechnologie eine langfristige Herausforderung bleibt.