14. April, 2025

Unternehmen

Kering greift bei italienischen Brillenherstellern zu

Der Gucci-Konzern investiert gezielt in die Brillenbranche und übernimmt mit Visard und Mistral zwei italienische Spezialisten. Das ist mehr als nur Portfolio-Erweiterung – Kering setzt auf vertikale Integration und rüstet sich gegen die Marktmacht von EssilorLuxottica.

Kering greift bei italienischen Brillenherstellern zu
Mit der Übernahme von Visard und Einstieg bei Mistral baut der Luxuskonzern gezielt Produktionskapazitäten auf – und macht sich unabhängiger von Branchenriese EssilorLuxottica.

Luxus fürs Auge – strategisch gedacht

Wenn ein Luxuskonzern wie Kering, bekannt für Marken wie Gucci, Saint Laurent oder Balenciaga, in italienische Brillenhersteller investiert, steckt mehr dahinter als optische Kosmetik.

Der Konzern übernimmt die Firma Visard vollständig und steigt zugleich als Minderheitsaktionär bei Mistral ein – mit Option auf eine Komplettübernahme bis 2030. Mistral ist ein Spin-off von Visard, spezialisiert auf hochpräzise Fassungen und Designentwicklungen im Premiumsegment.

Mit diesem Schritt baut Kering sein derzeit 14 Marken umfassendes Brillenportfolio gezielt aus. Das Ziel: Unabhängigkeit, Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette – und ein schärferer Fokus auf Marge, Marke und Marktposition.

Angriff auf den Giganten: EssilorLuxottica

Der globale Brillenmarkt wird von einem Namen dominiert: EssilorLuxottica, dem französisch-italienischen Branchenriesen, der Marken wie Ray-Ban besitzt und für viele Luxuslabels als Lizenzproduzent fungiert. Genau hier setzt Kering an – und verfolgt eine Gegenstrategie: weg von Lizenzmodellen, hin zu Eigenfertigung.

Bereits 2014 hatte Kering mit der Gründung von Kering Eyewear begonnen, das Brillengeschäft konsequent zu internalisieren. Der Zukauf von Lindberg 2021 – einer dänischen High-End-Marke – war ein Signal.

Die Visard-Übernahme ist der nächste strategische Schritt: Kering will sich vom Marktführer lösen und eigene Produktionskapazitäten im Premiumsegment aufbauen. Und das mit italienischer Handwerkskunst.

Das Brillengeschäft ist für Kering längst mehr als Beiwerk – mit über 1 Mrd. € Umsatz 2024 wird Eyewear zum strategischen Wachstumsfeld im Portfolio.

Warum Brillen? Und warum gerade jetzt?

Brillen sind im Luxussegment ein unterschätztes Geschäftsfeld: Sie kombinieren hohe Markenwirkung mit stabilen Margen – und funktionieren saisonunabhängig. Die Nachfrage bleibt konstant, auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Gleichzeitig sind Brillen ein Einstiegspunkt in den Luxuskonsum: Eine Gucci-Sonnenbrille ist deutlich erschwinglicher als eine Tasche oder ein Mantel – und bringt doch die gleiche Markensichtbarkeit mit sich.

Für Konzerne wie Kering ist das Brillensegment damit ein strategischer Hebel, um die Markenbindung zu vertiefen – und jüngere Zielgruppen langfristig zu binden. Die Übernahme italienischer Produzenten ist nicht nur vertikale Expansion, sondern auch Qualitätssicherung: „Made in Italy“ bleibt im Premiumbrillensektor ein weltweit anerkanntes Gütesiegel.

Mistral: Wette auf die Zukunft

Die Beteiligung an Mistral – mit Option auf vollständige Übernahme – zeigt, dass Kering nicht nur Bestehendes übernimmt, sondern gezielt auf Zukunftstechnologie setzt.

Mistral ist spezialisiert auf moderne Fertigungsprozesse und digitale Integration – etwa im Bereich 3D-Design, Materialsourcing oder modulare Fertigung. Es geht nicht nur um Handwerk, sondern auch um Innovationsfähigkeit.

Mit dem Einstieg sichert sich Kering frühzeitig Zugriff auf technologische Entwicklungen, ohne sich sofort zu binden. Der gestaffelte Einstieg bis 2030 erlaubt Flexibilität – und signalisiert zugleich langfristiges Interesse.

Brillen als profitabler Nebenschauplatz? Nicht bei Kering

Im Jahr 2024 machte Kering Eyewear nach Schätzungen rund 1 Milliarde Euro Umsatz – Tendenz deutlich steigend. Das Brillensegment entwickelt sich zunehmend zum wirtschaftlich relevanten Pfeiler im Portfolio.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass Kering in anderen Bereichen zuletzt schwächelte: Gucci kämpfte mit nachlassender Nachfrage, das China-Geschäft war durch die Konsumzurückhaltung belastet.

Der Fokus auf Eyewear zeigt: Der Konzern sucht gezielt nach margenstarken Nischen mit Wachstumspotenzial. Und nutzt die Schwäche anderer, um sich strategisch zu positionieren.

Ein Wachstumsmarkt mit politischem Unterton

Der globale Markt für Luxusbrillen wird bis 2030 auf über 35 Milliarden Euro geschätzt – angetrieben von urbaner Mittelschicht, Lifestyle-Fokus und Mode-Trends. Gleichzeitig ist der Wettbewerb um die Produktionsstandorte härter geworden: Die europäische Fertigung gilt als teuer, aber qualitativ überlegen.

Kering investiert also nicht nur in Produkte, sondern auch in Produktionssouveränität – ein Signal in einer Zeit, in der Lieferketten wieder strategisch gedacht werden.

Dass der Zukauf in Italien stattfindet, ist kein Zufall. Neben der Nähe zur Modezentrale Mailand profitiert Kering von bestehenden Designnetzwerken – und der Nähe zu den eigenen Marken-HQs. Gleichzeitig stärkt man den Standort Europa in einem Segment, das zunehmend von asiatischen Produzenten bedrängt wird.