01. April, 2025

Politik

Kennedys Kahlschlag: Wie der US-Gesundheitsminister die Verwaltung zerlegt

Rund 20.000 Jobs sollen in US-Gesundheitsbehörden wegfallen. Offiziell geht es um „Effizienz“ – in Wirklichkeit droht ein gefährlicher Kompetenzverlust bei der FDA. Die Industrie ist alarmiert, Experten schlagen Alarm.

Kennedys Kahlschlag: Wie der US-Gesundheitsminister die Verwaltung zerlegt
Die FDA verliert Personal, Termine und Schlagkraft – bei Medizin- und Tabakprüfungen brechen Fristen weg, Verfahren werden verschoben oder ausgesetzt.

20.000 Stellen weniger – und die Kontrolle gleich mit?

Ohne Vorwarnung, ohne Diskussion, dafür mit großer Geste: US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat am Donnerstag einen massiven Umbau seines Ressorts angekündigt.

10.000 Stellen werden gestrichen, weitere 10.000 sind bereits durch freiwillige Kündigungen weggefallen. Fast die Hälfte der Regionalbüros wird geschlossen.

Die Zahl der Vollzeitkräfte im Ministerium schrumpft damit von 82.000 auf 62.000. Es ist der tiefste Einschnitt in die öffentliche Gesundheitsverwaltung der USA seit Jahrzehnten.

Kennedy spricht von einem „Neustart“, von Bürokratieabbau und Effizienz. Was er verschweigt: Der Umbau trifft zentrale Kontrollinstanzen wie die FDA – und schwächt gezielt jene Bereiche, die für die öffentliche Gesundheit entscheidend sind.

Die neue Ordnung: Weniger Behörden, mehr PR

„Administration for a Healthy America“ – so heißt eine der neu geschaffenen Einheiten, die künftig zentrale Aufgaben bündeln soll. 28 bestehende Unterbehörden werden in 15 neu strukturierte Abteilungen gepresst. Man wolle sich stärker auf „chronische Krankheiten“ konzentrieren, sagt Kennedy.

Was das in der Praxis heißt, bleibt vage. Kritiker sehen vor allem eines: ein politisch motiviertes Umetikettieren. Denn nicht nur werden etablierte Strukturen zerschlagen – auch Fachwissen und personelle Kontinuität drohen verloren zu gehen. Die Geschwindigkeit des Umbaus lässt kaum Raum für geordneten Übergang.

Die FDA verliert – an Personal und Funktion

Besonders gravierend sind die Folgen bei der Food and Drug Administration (FDA). Die Behörde, zuständig für die Zulassung und Kontrolle von Medikamenten, Medizinprodukten und Tabakwaren, kämpft bereits mit Überlastung.

Zwei beteiligte Wissenschaftler berichten, dass sie inzwischen doppelt so viele Anträge prüfen müssen wie früher – mit deutlich weniger Personal.

Besonders betroffen: das Zentrum für Tabakprodukte. Neue Prüfverfahren wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, Fristen von bis zu 180 Tagen sind laut Insidern „nicht ansatzweise einzuhalten“. Bereits entlassene Mitarbeiter wurden teilweise wieder zurückgeholt – aus Not, nicht aus Plan.

Minus 20.000 Stellen: Unter Kennedy schrumpft das US-Gesundheitsministerium um fast ein Viertel – betroffen sind vor allem Kontrollinstanzen wie die FDA.

Die Folge: entweder längere Bearbeitungszeiten oder eine weniger gründliche Prüfung. Beides ist gefährlich – für Patienten, Konsumenten und auch die Industrie selbst.

Die Medizintechnikbranche ist alarmiert

Für Hersteller von Medizinprodukten ist die FDA nicht nur Regulierungsinstanz, sondern auch Türöffner zum Markt. Wenn Prüfungen verzögert oder gestrichen werden, steht nicht nur Zeit, sondern oft auch viel Kapital auf dem Spiel.

Ein auf FDA-Verfahren spezialisierter Anwalt berichtet von zunehmender Nervosität in der Branche. Eine andere Juristin bestätigt: Viele FDA-Termine wurden kurzfristig abgesagt oder auf reine Textkommunikation umgestellt. Persönliche Beratung? Fehlanzeige.

Aktuell betrifft das unter anderem den neuen Antrag von Philip Morris für eine Weiterentwicklung seines Tabakerhitzers IQOS. Ob und wann dieser geprüft wird, ist derzeit offen.

Trumps Handschrift – und Musks Effizienzmaschine

Kennedys Umbau steht nicht isoliert. Er ist Teil einer größeren „Verschlankung“ der Bundesbehörden unter Präsident Trump. Gesteuert wird dieser Prozess von der eigens geschaffenen Abteilung für Regierungseffizienz (DOGE) – unter Leitung von Tech-Milliardär Elon Musk.

Sie hat bereits Vorschläge zur Streichung von über 100.000 Stellen im öffentlichen Dienst vorgelegt, zur Kürzung von Auslandshilfe und zur Abschaffung ganzer Programme.

Der Gesundheitsbereich scheint dabei besonders ins Visier geraten zu sein – ausgerechnet in einem Land mit exorbitanten Gesundheitskosten, regionalen Versorgungslücken und hoher Abhängigkeit von regulatorischer Kontrolle.

Wer kontrolliert die Kontrolleure?

Kennedy, einstiger Präsidentschaftskandidat mit zweifelhaftem Ruf als Impfgegner und Verschwörungserzähler, ist nun verantwortlich für das Rückgrat der amerikanischen Gesundheitsregulierung. Dass gerade er mit dem radikalsten Personalumbau seit Jahrzehnten beauftragt wird, ist kein Zufall – sondern politisch gewollt.

Der Rückbau trifft bewusst jene Institutionen, die nicht nur Fachwissen, sondern auch Widerspruchskraft besitzen. Eine kritische FDA, die gegenüber Industrie und Politik unabhängig agiert, ist in diesem System offenbar nicht vorgesehen.