Symbolpolitik mit doppeltem Boden
Mit dem größten Zollpaket seit Jahrzehnten will Donald Trump die US-Wirtschaft schützen – so zumindest das offizielle Narrativ aus dem Weißen Haus. Fast alle Länder weltweit werden zur Kasse gebeten. Von Deutschland bis Vietnam, von der EU bis zur Ukraine. Nur ein Staat bleibt überraschend außen vor: Russland.
Dass ausgerechnet Moskau auf Trumps schwarzer Liste fehlt, sorgt in Washington – und erst recht in Europa – für Stirnrunzeln.
Denn offiziell befinden sich die USA weiterhin in einer harten Konfrontation mit dem Kreml. Sanktionen, Waffenlieferungen an die Ukraine, politische Rhetorik – all das blieb auch in Trumps zweiter Amtszeit bestehen. Doch ökonomisch wird Putin nun geschont. Warum?
„Nicht der richtige Zeitpunkt“ – eine diplomatische Ausrede?
Kevin Hassett, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates, bemühte sich am Wochenende in einem TV-Interview um eine Erklärung.
Russland befinde sich derzeit „in Friedensverhandlungen“, daher sei es „nicht angebracht, jetzt zusätzlich Zölle zu erheben“. Es gehe um Tausende Leben, nicht um Handelspolitik. Präsident Trump wolle die Gespräche nicht gefährden.
Kritiker sehen in dieser Argumentation vor allem eines: ein taktisches Manöver. Denn während Russland geschont wird, trifft es andere Staaten – darunter auch enge Verbündete – deutlich härter.

Für Importe aus der Ukraine etwa soll ein zehnprozentiger Strafzoll gelten. Ein Land also, das sich gegen eine Invasion verteidigt, wird wirtschaftlich abgestraft. Der Angreifer hingegen nicht.
Handel fast tot – oder doch nicht?
Trumps Sprecherin Karoline Leavitt lieferte noch eine zweite Erklärung: Russland müsse nicht weiter mit Zöllen belegt werden, da „US-Sanktionen bereits jeden bedeutenden Handel ausschließen“.
Tatsächlich sind viele Wirtschaftsbeziehungen gekappt – insbesondere im Energiesektor. Doch die Zahlen erzählen eine andere Geschichte.
Laut Daten des U.S. Census Bureau importierten die USA im Jahr 2024 Waren im Wert von rund drei Milliarden US-Dollar aus Russland – mehr als doppelt so viel wie aus der Ukraine. So ganz „ausgeschlossen“ scheint der Handel also nicht zu sein. Es geht um Metalle, industrielle Vorprodukte – und um strategisch relevante Güter.
Ein Deal im Schatten?
Hinter den Kulissen wird über ein anderes Szenario spekuliert: Trump will sich außenpolitisch profilieren – und Russland als diplomatischen Erfolg vermarkten. Die Gespräche über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges laufen.
Ein von den USA vermittelter Waffenstillstand würde Trump international aufwerten – und ihn im Wahlkampf als „Friedenspräsident“ dastehen lassen.
Doch dieser Kurs ist riskant. Denn Moskau wird derzeit nicht etwa zu Kompromissen gedrängt, sondern offenbar belohnt. Putin könnte die Zöllpause als Zeichen deuten, dass sich die USA unter Trump von Kiew abwenden – und das zu einem kritischen Zeitpunkt.
Die Ukraine auf der Strafliste – ein Signal mit Folgen
Während Russland verschont bleibt, wird die Ukraine in Trumps Zollliste ausdrücklich erwähnt – mit einem Strafsatz von zehn Prozent. Auch andere kleinere Länder, darunter Tokelau oder Gibraltar, sind betroffen. Der Eindruck: Es geht nicht um ökonomische Logik, sondern um politische Prioritäten. Und die haben sich unter Trump offenbar verschoben.
Der Schritt dürfte in Kiew als Affront gewertet werden – vor allem angesichts der jüngsten Debatten über Waffenlieferungen, Finanzierung und diplomatische Unterstützung. Die transatlantische Solidarität, die in den ersten Kriegsjahren noch wie ein Bollwerk wirkte, beginnt zu bröckeln. Und das nicht zum ersten Mal unter Donald Trump.
Das könnte Sie auch interessieren:
