16. April, 2025

Finanzen

Kassenzwang gegen Steuertricks – Kommt jetzt die Pflicht zur Kartenzahlung?

CDU und SPD wollen Gewerbetreibende zum digitalen Bezahlen verpflichten. Der Plan soll Steuerbetrug eindämmen – und trifft in der Gastronomie auf Widerstand.

Kassenzwang gegen Steuertricks – Kommt jetzt die Pflicht zur Kartenzahlung?
In Deutschland werden laut Bundesbank immer noch rund 58 % aller Einkäufe in bar bezahlt – besonders in Gastronomie, Einzelhandel und bei Dienstleistern. Die geplante Kartenzahlungspflicht könnte dieses Bild deutlich verändern.

Kartenzahlung oder Bar? Künftig soll das keine Frage der Technik mehr sein. Union und SPD wollen, dass Restaurants, Kioske und Marktstände neben Bargeld auch mindestens eine digitale Bezahlmethode anbieten – verpflichtend.

Die neue Regierung setzt damit nicht nur auf Modernisierung, sondern vor allem auf Kontrolle. Denn im Fokus steht ein altbekanntes Problem: Steuerhinterziehung.

„Die Zeit der offenen Ladenkassen muss vorbei sein“

SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi bringt es nüchtern auf den Punkt: Die Wahlfreiheit der Kunden soll gestärkt werden – und gleichzeitig ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit geleistet werden.

„Gerade in bargeldintensiven Bereichen wie der Gastronomie gibt es zu viele Schlupflöcher“, sagt Schrodi.

Kartenzahlungen erzeugen automatisch digitale Spuren – jeder Umsatz wird registriert, jeder Betrag lässt sich prüfen. Der Plan ist Teil des Verhandlungspapiers der Arbeitsgruppe Haushalt, Steuern, Finanzen.

Dort heißt es, es müsse „grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden“. Zusätzlich fordern SPD und Union eine Registrierkassenpflicht.

Auch das ist ein Versuch, den jahrzehntelang tolerierten Graubereich im Bargeldgeschäft enger zu fassen. Die Zeiten der handgeschriebenen Bons und Tagesumsätze im Schuhkarton sollen enden.

70 Milliarden Euro – das stille Leck in der Staatskasse

Die Steuergewerkschaft schlägt seit Jahren Alarm. Ihr Vorsitzender Florian Köbler spricht von einem Schaden von bis zu 70 Milliarden Euro jährlich. Das umfasst nicht nur entgangene Umsatzsteuern, sondern auch Lohnabgaben, die bei Schwarzarbeit schlicht nicht auftauchen.

Besonders Gastronomie, Friseure und Einzelhandel stehen im Fokus der Prüfer. Wo viel Bargeld fließt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass alles korrekt beim Finanzamt landet.

Allein durch Bargeld-Manipulationen, Schwarzarbeit und falsche Umsatzmeldungen gehen Deutschland jährlich bis zu 70 Mrd. € verloren. Die digitale Bezahlpflicht soll die Lücke schließen – zumindest teilweise.

Köbler formuliert es deutlich: „Wenn jeder mit Karte zahlen würde, wären die Steuereinnahmen sehr viel höher.“ Für ihn sind digitale Bezahlmethoden kein Komfort, sondern ein Instrument zur Steuerehrlichkeit. Jede Transaktion, die nicht unter der Theke stattfindet, zählt.

Widerstand aus der Gastronomie

Während Finanzpolitiker die digitale Offensive begrüßen, formiert sich Widerstand – vor allem aus der Gastronomie. Jürgen Benad, Geschäftsführer des Branchenverbands Dehoga, warnt vor zusätzlicher Bürokratie und Kosten.

„Kartenzahlung ist für Gäste bequem, verursacht aber für Betriebe laufende Kosten, etwa durch Gebühren oder die Miete für Terminals.“

Besonders kleinere Betriebe, etwa auf Volksfesten oder Weihnachtsmärkten, setzten bewusst auf offene Ladenkassen. „Dort eine digitale Kasse aufzubauen, ist häufig schlicht nicht praktikabel“, sagt Benad. Gerade für Kleinstbetriebe könne die neue Pflicht existenzbedrohend sein.

Digitale Kontrolle trifft auf analoge Praxis

Die Kritik ist nicht unbegründet. Wer einmal versucht hat, an einem Glühweinstand mit Karte zu zahlen, weiß: Es hakt oft schon am Netz. Auch spontane Märkte oder kleine Läden ohne stabiles WLAN tun sich schwer mit digitalen Lösungen. Doch gleichzeitig ist klar: Steuerbetrug lässt sich nicht mit Appellen eindämmen. Technik schafft Transparenz – und Transparenz schafft Vertrauen.

Es ist der klassische Konflikt zwischen politischem Anspruch und betrieblicher Realität. Zwischen dem Bedürfnis nach Kontrolle – und dem Wunsch nach unternehmerischer Freiheit.

Offene Ladenkasse oder digitaler Beleg?

Das Thema berührt mehr als nur den Kassenbereich kleiner Betriebe. Es geht um ein Grundprinzip: Wieviel Anonymität wollen wir im Zahlungsverkehr noch zulassen? Und wieviel Überwachung sind wir bereit hinzunehmen – im Namen der Steuergerechtigkeit?

Der Vorstoß von Union und SPD ist mehr als ein technisches Update. Er ist ein Signal: Der Staat will nicht länger wegsehen, wenn bei Barumsätzen geschummelt wird. Für viele Betriebe ist das ein Weckruf – für einige auch eine Kampfansage.

Die große Frage bleibt: Wie weit geht man, um Steuerehrlichkeit zu erzwingen – ohne dabei die Falschen zu treffen?

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