17. September, 2024

Unternehmen

Käse aus dem Labor: Die Milchindustrie in Gefahr?

Start-ups wie Formo und Those Vegan Cowboys stellen Käse her – ohne Kuhmilch. Mit maßgeschneiderten Mikroorganismen wollen sie den Käsemarkt erobern und locken bereits Investoren wie Rewe und ProSieben an. Der Geschmack soll identisch zum Original sein.

Käse aus dem Labor: Die Milchindustrie in Gefahr?
Mit maßgeschneiderten Mikroorganismen produzieren sie Casein, das wichtigste Protein in Käse, ganz ohne Kühe. Investoren wie Rewe und ProSieben wittern bereits das Milliardenpotenzial.

Käse ist aus den Kühlregalen der Supermärkte nicht wegzudenken, doch seine Herstellung ist alles andere als umweltfreundlich. Zwei Start-ups, Formo aus Berlin und Those Vegan Cowboys aus Gent, wollen das ändern – mit Käse aus dem Bioreaktor.

Statt Milch von Kühen nutzen sie Mikroorganismen, um das entscheidende Protein Casein herzustellen. Die Vision: tierfreien Käse, der geschmacklich und in der Konsistenz dem Original in nichts nachsteht.

Bioreaktor statt Euter: Käseherstellung neu gedacht

Camembert, Brie, Gouda – auf den ersten Blick wirken die Produkte der Start-ups wie die Klassiker aus der Frischetheke. Doch anstatt von Kühen stammt das Casein, das Hauptprotein in Käse, aus präzisionsfermentierten Mikroorganismen.

Die werden so programmiert, dass sie im Bioreaktor Casein produzieren, genau wie im Euter einer Kuh.

„Wir bauen eine Kuh aus Edelstahl“, erklärt Mitgründer Hille van der Kaa die Technologie hinter den Produkten.

Die Idee dahinter: Käse ohne die negativen Umweltauswirkungen der Viehhaltung. Laut den Vereinten Nationen trägt die Viehwirtschaft zu 14,5 Prozent der globalen Klimaemissionen bei – mehr als der gesamte Verkehrssektor. Mit Käse aus dem Bioreaktor könnte ein Großteil dieser Emissionen vermieden werden.

Investoren wittern Chancen: Rewe und ProSieben steigen ein

Die vielversprechende Technologie hat große Investoren angelockt. In einer Finanzierungsrunde sammelte Formo 61 Millionen Dollar ein. Beteiligt sind unter anderem Rewe, das den veganen Käse in seine Supermarktregale bringen will, und SevenVentures, die Investitionssparte von ProSiebenSat.1, die für zukünftige Marketingmaßnahmen sorgen will.

„Wir skalieren unsere Verfahren und bringen die Produktion in die Massenfertigung“, erklärt Raffael Wohlgensinger, CEO von Formo.

Noch sei der Käse aufgrund der geringen Produktionsmengen teurer als herkömmlicher Käse. Doch mit der Massenproduktion sollen die Preise fallen, sodass der Bioreaktor-Käse in fünf bis zehn Jahren sogar günstiger sein könnte als der aus Milch.

Ein Milliardenmarkt: Käse aus Milch vor der Ablösung?

Der Weltmarkt für Käse wird dieses Jahr auf 240 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2028 soll er auf 315 Milliarden Dollar anwachsen. Doch bisher basiert der größte Teil dieses Marktes auf Kuhmilch, die zunehmend von umwelt- und gesundheitsbewussten Konsumenten kritisch gesehen wird.

Während pflanzliche Milchalternativen wie Hafermilch in Deutschland bereits einen Marktanteil von 13 Prozent erreicht haben, steckt veganer Käse noch in den Kinderschuhen. Das wollen Start-ups wie Formo und Those Vegan Cowboys ändern.

„Bisher gibt es einfach keine sehr guten Käsealternativen“, sagt van der Kaa.

Die Produkte, die bereits auf dem Markt sind, haben oft einen Beigeschmack und kommen in puncto Konsistenz und Schmelzverhalten nicht an das Original heran.

Genau das wollen die Start-ups nun ändern. „Die Käsesorten, die wir im Labor erzeugen, unterscheiden sich nicht mehr von ihren Vorbildern aus Milch“, verspricht Wohlgensinger.

Die Herausforderung: Zulassung und Skalierung

Ein großes Hindernis auf dem Weg in den Supermarktregal bleibt die Zulassung. Obwohl die Technologie beeindruckend ist, sind die regulatorischen Hürden in der EU hoch. Das erste Casein-Produkt von Formo soll 2025 auf den Markt kommen, allerdings nicht in Europa. Länder wie Singapur sind schneller darin, sogenannte Novel Foods zuzulassen.

„Die EU-Kommission hat uns signalisiert, dass gemeinsame Zulassungsanträge schneller bearbeitet werden“, sagt Wohlgensinger.

Doch er rechnet trotzdem mit einer Wartezeit von mindestens 18 Monaten.

Die Konkurrenz schläft nicht: Unternehmen wie Standing Ovation aus Paris oder Remilk aus Israel arbeiten ebenfalls an fermentiertem Käse. Es bleibt abzuwarten, wer als erstes den Durchbruch schafft.

Revolution auf dem Käsemarkt in Sicht

Käse aus dem Bioreaktor könnte die Lebensmittelindustrie revolutionieren. Durch die Technologie der Präzisionsfermentation könnten nicht nur die CO2-Emissionen gesenkt, sondern auch Ressourcen geschont werden.

Der nächste Schritt ist die Massenproduktion und die gesetzliche Zulassung. Investoren wie Rewe und ProSieben glauben bereits an den Erfolg – und vielleicht essen wir in wenigen Jahren alle Camembert, der nicht aus Milch, sondern aus Mikroorganismen stammt.