Der Solidaritätszuschlag – eingeführt zur Finanzierung des Aufbaus Ost – ist auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht aus der deutschen Steuerlandschaft verschwunden.
Doch ob die Sonderabgabe weiterhin Bestand hat, entscheidet sich am 12. November vor dem Bundesverfassungsgericht. Sollte das Gericht der Klage stattgeben, könnte das Folgen haben, die weit über Steuerfragen hinausgehen: Die Ampel-Koalition würde plötzlich Milliarden verlieren – und das ausgerechnet durch die eigene FDP.
FDP gegen Soli: Der Zankapfel in der Ampel
Schon seit Beginn der Ampel-Koalition kriselt es zwischen den Partnern, wenn es um den Soli geht. Während FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner den Soli gerne beerdigt sehen würde, halten Kanzler Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) an ihm fest.
Sie bestehen darauf, dass der Zuschlag für Spitzenverdiener und Unternehmen weiterhin ein wichtiges Symbol bleibt. Lindners Vorstoß, die Abgabe zu streichen, blockierten Scholz und Habeck kurzerhand – zwölf Milliarden Euro jährlich wollten sie auf keinen Fall opfern.
Doch die Klage, die die FDP 2020 noch aus der Opposition heraus eingereicht hatte, führt nun dazu, dass der Fall vor dem höchsten Gericht landet. Sollte der Soli tatsächlich fallen, wie es die FDP fordert, könnte das auch dem Haushalt schwer zusetzen.
Ein Urteil gegen den Soli wäre ein finanzpolitisches Erdbeben – und die Ampel-Koalition müsste kurzfristig reagieren, um das Loch zu stopfen.
Karlsruhe entscheidet: Milliardenfrage für den Haushalt
Die Frage, ob der Soli nach dem Ende des Solidarpakts II 2019 überhaupt noch eine rechtliche Basis hat, wird der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts klären.
Die Klage fordert: Der Soli habe seine historische Rolle längst erfüllt, seine Fortführung wäre ein „Fremdkörper“ im Steuersystem. Ein Urteil zugunsten der Klage würde der Ampel ein 66-Milliarden-Euro-Loch in den Etat reißen – ein Verlust, den Scholz, Habeck und Lindner mühsam schließen müssten.
Die Brisanz der Klage wird auch durch die Beteiligung der FDP verstärkt: Mehrere prominente Parteivertreter, darunter Fraktionschef Christian Dürr, stehen auf der Seite der Kläger.
Doch die Ampel hat vorgesorgt: Die Regierung wird durch Luise Hölscher, eine erfahrene Staatssekretärin mit CDU-Parteibuch, verteidigt, die Unterstützung vom Verfassungsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz erhält.
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Im Raum steht ein aufwändiges Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Ifo-Instituts, das 2020 zu dem Schluss kam, die Einnahmen aus dem Soli seien bis in die 2020er-Jahre noch dringend nötig, um die überproportionalen Belastungen der Wiedervereinigung zu finanzieren.
Finanzpolitsche Turbulenzen: Warten auf das Urteil
Für die Ampel wäre ein Urteil gegen den Soli ein weiteres Hindernis im Haushaltskampf. Bereits das Scheitern des Nachtragshaushalts im Vorjahr riss eine 60-Milliarden-Euro-Lücke in die Finanzpläne – ein Drama, das den Haushalt für Monate lähmte.
Der Wegfall der Soli-Einnahmen könnte die Ampel weiter ins Wanken bringen. Eine Entscheidung vor Weihnachten, die in Regierungskreisen als wahrscheinlich gilt, würde für die Koalition die nächste Runde des Haushaltspokers einläuten – mit ungewissem Ausgang.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Wirtschaftlich könnte das Urteil auch langfristig ein Signal setzen: Die Bundesregierung müsste Wege finden, um auf den Finanzpuffer des Soli zu verzichten, ohne die ohnehin schwindenden Haushaltsspielräume weiter zu belasten.
Finanzminister Lindner könnte gezwungen sein, kreative Alternativen zur Finanzierung zu finden, die auch den Ampel-Partnern zusagen.
Wie Karlsruhe letztlich entscheiden wird, bleibt unklar – sicher ist nur, dass das Urteil die politischen Gemüter erhitzen wird. Die Ampel steht vor einem Spagat zwischen haushaltspolitischen Zwängen und dem Wunsch der FDP, ihre eigenen Forderungen durchzusetzen.