Die Vorweihnachtszeit in Deutschland wird von steigenden Infektionszahlen bei akuten Atemwegserkrankungen überschattet. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwochabend berichtete, hat sich die Anzahl der Erkrankungen im Vergleich zur Vorwoche von 7,1 auf hochgerechnet 7,9 Millionen bundesweit erhöht. Dabei handelt es sich um alle Atemwegsinfektionen wie Corona, Erkältungen und Grippe, ohne Rücksicht auf Arztbesuche.
Während Corona bereits seit längerem die dominierende Atemwegserkrankung ist, hat das RKI jüngst den Beginn der Respiratorischen Synzytial-Virus-Infektionen (RSV-Welle) verkündet. Gleichzeitig nehmen auch die Nachweise von Grippeerkrankungen signifikant zu.
Die Influenza-Welle, hervorgerufen durch Influenza-Viren, hat nach der Definition des RKI jedoch noch nicht begonnen. Im aktuellen Bericht heißt es, dass bisher vor allem Kinder im Schulalter und junge Erwachsene von Influenzaerkrankungen betroffen seien. Insgesamt wurden bundesweit rund 1.400 laborbestätigte Fälle von Influenza für die vergangene Woche gemeldet, was im Vergleich zur Vorwoche einer Verdopplung entspricht. Im Gegensatz dazu wurden für die gleiche Woche rund 26.850 Coronainfizierte gemeldet. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Meldezahlen für beide Erkrankungen nur die Spitze des Eisbergs darstellen.
Die aktuelle Situation kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die Menschen aufgrund der COVID-19-Pandemie sensibler für Atemwegserkrankungen sind. Dadurch kommt es tendenziell zu mehr Arztbesuchen aufgrund von Atemwegserkrankungen, was auch in den Statistiken und Arbeitsunfähigkeitszahlen zum Ausdruck kommt.
Experten betonen, dass die Hygienemaßnahmen während der Pandemie das Immunsystem nicht geschwächt haben. Die Vermutung, dass durch vermiedene Infektionen in der Vergangenheit das Immunsystem geschwächt sei und nun nachgeholt wird, sei nicht korrekt. Das Immunsystem müsse nicht durch Infektionen trainiert werden, um aktiv zu sein.
Obwohl aufgrund der Grundimmunität durch Impfungen und bereits überstandene Infektionen schwere Verläufe von Corona seltener auftreten, sind sie noch nicht ausgeschlossen. Professor Leif Sander von der Charité warnte vor "alten" Ausprägungen von COVID-19, die vor einigen Jahren beobachtet wurden. Er nannte beispielsweise eine länger zurückliegende Impfung oder eine unzureichende Immunisierung als mögliche Gründe dafür. Daher sei es ratsam, weiterhin vorsichtig zu sein und beispielsweise freiwillig eine Maske zu tragen, um sich und andere vor Viren zu schützen.
Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in den letzten Tagen vermehrt vor Corona gewarnt hatte, gab es nun Kritik vom Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen. Gassen äußerte, dass er Lauterbachs Warnungen für übertrieben halte, da sich Deutschland nicht mehr in einer pandemischen Lage befinde. Zuvor sei auch nicht überall zum Maskentragen oder zum Verzicht auf Weihnachtsfeiern in Innenräumen geraten worden. Gassen betonte jedoch, dass die Impfung gegen Corona und Grippe für ältere Menschen und Risikogruppen sinnvoll sei.