18. September, 2024

Politik

Kamala Harris gewinnt deutlich gegen Trump – ein Blick auf die Macht des Fernsehens in der Politik

Kamala Harris gewinnt deutlich gegen Trump – ein Blick auf die Macht des Fernsehens in der Politik

Politexperten und Blitzumfragen sind sich größtenteils einig: Am Dienstag gewann US-Vizepräsidentin Kamala Harris das Präsidentschaftsduell gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump – und es war ein klarer Sieg. Nicht nur stellte sie ihre Agenda der Nation vor, sondern kritisierte auch geschickt Trump, wo Präsident Joe Biden im Juni Schwierigkeiten hatte, seine Punkte zu vermitteln. Die Frage ist nun, ob Harris' Debatte langfristig die Umfragen beeinflussen und ihr den Weg zum Sieg ebnen wird.

Die Geschichte zeigt, dass die Antwort sowohl ja als auch nein lautet. Obwohl die Debatte vorbei ist, hat der Kampf um ihre Deutung gerade erst begonnen. Dieser Kampf ist entscheidend, und zwar nicht nur, um den nächsten Präsidenten zu bestimmen.

Die erste im Fernsehen übertragene Präsidentschaftsdebatte fand 1960 statt, als der zweifache Senator aus Massachusetts, John F. Kennedy, den Vizepräsidenten Richard Nixon herausforderte. Kennedy startete eine medienaffine Kampagne, die TV-Spots, Popsongs und Radiosendungen kombinierte. Die demokratische Matriarchin Eleanor Roosevelt kritisierte Kennedy dafür, so viel Geld auszugeben. Doch Kennedy erkannte das Potenzial des neuen Mediums Fernsehen als einem anderen Weg zur Macht.

Er sah das Duell als Gelegenheit, zu den Fernsehzuschauern zu sprechen, nicht als politische Auseinandersetzung. Nixon hingegen betrachtete es als einen weiteren Kampagnenauftritt und erschien kränklich in einem grauen Anzug mit Dreitagebart. Das Bild von ihm, wie er sich den Schweiß von der Stirn wischte, wurde berühmt – ebenso wie die konventionelle Weisheit: Kennedys telegeneres Auftreten half ihm, die Debatte und schließlich auch die Präsidentschaft zu gewinnen.

Keine empirischen Beweise stützen diesen vielzitierten Mythos. Dennoch gaben Nixon und andere den TV-Debatten die Schuld dafür, dass Politiker mehr Wert auf Stil als auf Substanz legten. Ihre Klagen verstärkten nur die wahrgenommene Macht des Mediums und eröffneten neue politische Karrieren für diejenigen, die seine Kunst meisterten. Seitdem war klar, dass das Fernsehen für all jene, die das Weiße Haus anstreben, oberste Priorität haben muss. Bidens katastrophale Leistung in seinem Duell mit Trump unterstrich dies und führte zu seiner Entscheidung, aus dem Rennen 2024 auszusteigen.

Nach Kennedys Triumph mieden Kandidaten 16 Jahre lang Debatten. Erst 1976 forderte der amtierende Präsident Gerald Ford den demokratischen Kandidaten Jimmy Carter heraus, um seine angeschlagene Kampagne zu stärken. Der Vorlauf zu diesen Debatten war ganz anders. Beide Seiten bereiteten Texte vor und diskutierten das gewünschte Image mit einem Team von Medienprofis. Das Ziel: Jede unvorhergesehene Situation zu vermeiden, die ihre Kampagnen entgleisen könnte. Dies gelang dennoch nicht. Fords Aussage, Osteuropa sei nicht unter sowjetischer Herrschaft, führte zu heftiger Kritik von Carter und den Medien.

Anfangs reagierten die Wähler indifferent. Doch in den folgenden Tagen stellten Journalisten Ford immer wieder dazu Fragen, während Carter es in Reden als Beweis für die außenpolitische Inkompetenz des Präsidenten nutzte. Historisch blieb in Erinnerung, dass Reporter aus einer Lappalie einen verheerenden „Lapsus“ gemacht hatten.

Die Lehre war klar: Nach-Debatten-Narrative waren bedeutsam, und Kampagnen brauchten Mitarbeiter, die diese gezielt steuern konnten. Bis 1988 hatte sich ein Bereich namens „Spin Alley“ etabliert, wo Kampagnenmitarbeiter Reporter mit Interpretationen bombardierten, warum ihr Kandidat gewonnen hatte.

Diese Woche überraschte Trump alle, indem er persönlich im „Spin Room“ erschien, was Kandidaten selten tun. Doch eigentlich sollte das nicht überraschen. Er ist ein typisches Produkt dieser historischen Entwicklungen, die die Performance zu einem zentralen Kriterium gemacht haben, auch wenn er gegen die sorgfältig konstruierte Image-Maschinerie rebelliert.

Wie Kennedy erkannte Trump die Chance, die ein neues Medium bot: In seinem Fall nutzte er die sozialen Medien, um seine provokanten Aussagen zu verbreiten und sogenannten „alternativen Fakten“ Vorschub zu leisten. In den letzten acht Jahren ist er diesen Weg weitergegangen, um die Macht zurückzuerlangen.

Am Dienstag zeigte er dies erneut mit absurden Aussagen zu Abtreibung, dubiosen Geschäften mit ausländischen Figuren und, am unvergesslichsten, illegalen Einwanderern, die Haustiere essen. Seitdem weigert sich Trump, an einer weiteren Debatte teilzunehmen; er scheint auf Fehlinformationen zu setzen, um den Tag zu gewinnen. Vorerst dominieren unterhaltsame Memes das Nach-Duell-Narrativ, die absichtlich die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen lassen. Der längerfristige Einfluss auf die amerikanische Politik wird sich erst noch zeigen.