Zum ersten Mal seit 2009 zeigt das politische Pendel in Japan erneut gegen die Liberaldemokratische Partei (LDP). Damals, entfremdet durch Skandale und eine Serie von Kurzzeitregierungen, wandten sich die Wähler ab. Die Hoffnung auf ein lebendiges Zwei-Parteien-System erblühte – doch das erwies sich als trügerisch. Die regierende Opposition stolperte über die Fukushima-Katastrophe und hinterließ Chaos.
Ähnliche Skandale und volatile Führung haben die LDP nun erneut zu Fall gebracht, auch wenn diesmal das Ergebnis abgeschwächter ausfiel. Eine gesunde Wahlkonkurrenz ist willkommen, doch birgt sie das Risiko instabiler Regierungen in einer Zeit erheblicher wirtschaftlicher, demografischer und sicherheitspolitischer Herausforderungen.
Angesichts dieses politischen Umbruchs ist die neue Mehrheit im Parlament fragil. Die LDP muss Reformfähigkeit zeigen, während die oppositionelle Konstitutionell-Demokratische Partei (CDP) beweisen muss, dass sie eine ernstzunehmende Alternative ist.
Die Wahlen, angesetzt von Premierminister Shigeru Ishiba kurz nach seinem unerwarteten Parteivorsitzsieg, ließen die LDP mit 215 Sitzen zurück, zusammen mit der Komeito. Selbst mit Unterstützung von Unabhängigen reicht dies nicht für eine Regierung aus. Die Demokratische Partei für das Volk könnte mit ihren 28 Sitzen ein Partner sein, was jedoch nur eine schwache Koalition ergeben würde.
Der Druck auf Ishiba, Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten, wächst. Ein verfrühter Rückzug würde jedoch die Koalitionsgespräche verzögern und Japan in einer kritischen Phase ohne Führung hinterlassen. Besser wäre es, vorerst an Bord zu bleiben, eine Koalition zu schmieden und Reformen anzugehen.
Die CDP kann sich über ihren Zugewinn von 148 Sitzen freuen, sollte aber nicht zu euphorisch sein. Ihr Erfolg war weniger ein eigenes Wähler-Mandat als vielmehr Ausdruck von Erschöpfung mit der LDP. Für einen zukünftigen Wahlsieg muss sie sich als ernsthafte Alternative präsentieren.
Zu den zukunftsträchtigen, aber kontroversen Schwerpunkten der CDP gehört eine Anpassung des Inflationsziels der japanischen Zentralbank sowie ambitionierte Klimaziele, die das Ende der Atomkraftenergie vorsehen. Auch in Sicherheitsfragen agiert sie vorsichtig. Eine Wiederholung der Fehler von 2009-2012 droht.
Japan und die LDP könnten von einer kompetenten Oppositionspartei profitieren. Ob daraus eine neue politische Dynamik entsteht, wird sich zeigen – entscheidend sind die nächsten Schritte beider Parteien.