18. September, 2024

Wirtschaft

Jamie Dimon: Ein Gigant am Tisch der Großen

Jamie Dimon: Ein Gigant am Tisch der Großen

Als Jamie Dimon die Treppe zum Grill Room des Four Seasons hinaufsteigt, ist das berühmte New Yorker Restaurant nur zur Hälfte gefüllt. Doch diese Hälfte besteht aus einigen der prominentesten Namen der amerikanischen Geschäftswelt.

Beim Händeschütteln blickt Dimon hinüber zum Eckplatz, der einst dem verstorbenen Architekten Philip Johnson vorbehalten war. Dort sitzt Pete Peterson, ehemaliger US-Handelsminister und Mitbegründer des Private-Equity-Riesen Blackstone, im Gespräch mit Martin Sullivan, dem britischstämmigen CEO des weltgrößten Versicherers American International Group. An anderen Tischen sind Edgar Bronfman, Chef von Warner Music, und Mort Zuckerman, Immobilienmagnat und Besitzer des New York Daily News, zu finden.

Inmitten dieser prominenten Gesellschaft sticht Dimon dennoch heraus. Der 50-jährige, hoch aufgeschossene, Jungenhaft wirkende neue CEO von JPMorgan Chase, einem der mächtigsten Finanzinstitute der Welt, zieht alle Blicke auf sich. Medien lieben seinen schnoddrigen Stil und die Geschichte des Jungen aus Queens, der das Bankhaus der Morgans und Rockefellers anführt. Ebenso fasziniert die Rivalität zu seinem ehemaligen Mentor Sandy Weill, der Citigroup zum weltweit größten Finanzdienstleister machte, bevor er Dimon vor acht Jahren entließ. Jetzt leitet Dimon Weills Erzkonkurrenten.

Beim Studium der Speisekarte erinnert sich Dimon an viele gemeinsame Mittagessen mit Weill, insbesondere an eines im Dezember 1999, ein Jahr nach seiner Entlassung. Der folgende Lunch wurde ein Scoop für die Financial Times. „Da war es auf der Titelseite: Massive russische Verluste in Tschetschenien; Rekordhandelsdefizit der USA und… Dimon speist mit Weill. Sehr lustig.“

Dimon, stets ein Star, war nach seinem Rauswurf überhäuft mit Jobangeboten. Letztlich nahm er die CEO-Position bei Bank One an, verkaufte die Bank vier Jahre später für 58 Milliarden Dollar an JPMorgan und katapultierte sich in eine neue Liga. „Die meisten Leute, die große Unternehmen leiten, empfinden eine enorme Verantwortung. Es ist eine Freude und eine Last zugleich. Wie Kinder haben.“

Beim Essen, Dimon wählt Thunfisch-Sashimi und Dover-Seezunge, gesteht er, ein Nachrichten-Junkie zu sein. Er beginnt seinen Tag um 5 Uhr und verbringt bis zu anderthalb Stunden mit der Lektüre von drei Zeitungen: der FT, der New York Times und dem Wall Street Journal.

Trotz seiner Bilderbuchkarriere denkt Dimon oft an seine 18 Monate Auszeit, in denen er Geschichte las und sich dem Boxen widmete. Einziges Bedauern: „Dass ich kein Musikinstrument erlernt habe.“ Jetzt nimmt er Gitarrenstunden.

Dimon, ein auf den Boden gebliebener New Yorker aus der Mittelschicht, ist bekannt für seine fehlende Affinität zum Golf, den Hauptsportarten der Wall Street. Er bevorzugt Tennis, gespielt mit seinen drei Töchtern. Trotz seines riesigen Vermögens, hauptsächlich in JPMorgan-Aktien, prahlt Dimon nicht mit Luxusgütern. Seine Familie wohnt in Chicago wegen der schulischen Verpflichtungen seiner jüngsten Tochter.

Er legt starken Wert auf effiziente Geschäftsführung und scheut auch nicht vor kleinen Einsparmaßnahmen zurück. Seine Betonung auf Kostensenkung führt manchmal zu Unmut, doch Dimon glaubt fest daran, dass noch viele Baustellen im Unternehmen zu klären sind. Trotz gelegentlicher Zuordnungen als Mikromanager, zeigt er eine ausgeglichene, verantwortungsvolle Führungspersönlichkeit, die gerne auch an größere Deals denkt.

Zum Schluss geht Dimon zu Pete Peterson und Martin Sullivan für ein kurzes Gespräch und verlässt den Raum, um zu seinem Job zurückzukehren. Seine Mission: JPMorgan als ein lebendiges, gesundes Unternehmen zu führen.