Sechzehn Jahre nach der Rettungsaktion von 2008, bei der Jamie Dimon und andere Spitzenbanker von Washington zähneknirschend zugestimmt hatten, bis zu 250 Milliarden Dollar an Bundeskapital anzunehmen, um das globale Bankensystem zu stabilisieren, schlägt Dimon nun neue Töne an. Aktuell fordert er die Bankenwelt auf, sich gegen die anhaltende Flut an neuen Bankvorschriften zu wehren. Seinen markanten Appell 'Es ist Zeit, sich zu wehren' brachte er auf einer Tagung der American Bankers Association in Washington lautstark zum Ausdruck.
Dimon ist nicht allein mit seiner Einschätzung. Weltweit plädieren Banker für einen Stopp und sogar die Rücknahme einiger der seit 2008 eingeführten Regulierungen. Gründe dafür gibt es genug: Die Erinnerung an die Finanzkrise verblasst und Banken haben sowohl die COVID-19-Pandemie gemeistert als auch das Finanzchaos im März 2023, als einige regionale US-Banken scheiterten und die Credit Suisse von UBS gerettet werden musste.
Der Wettbewerb der Banken mit privaten Kreditgebern und Investmentfirmen nimmt zu. Dies war ursprünglich eine Absicht der Regulators, um riskante Aktivitäten in weniger schädliche Gefilde zu verlagern. Doch die Aufsichtsbehörden ändern ihren Fokus. Die Bank of England simuliert zurzeit Schockszenarien, um deren Auswirkungen auf den gesamten Markt zu analysieren.
Ein weiterer Punkt ist die sich wandelnde Haltung der Politik, die nun die Balance zwischen Regulierung und Wachstum stärker berücksichtigt. Infolgedessen verlieren Regulierer an Rückhalt, ihre Maßnahmen erscheinen manchmal als unverhältnismäßig im internationalen Kontext. Politische Sympathien für striktere Regeln schwinden, wie die jüngsten argumentativen Siege der amerikanischen Bankenlobby gegen die 'Basel Endgame'-Regeln zeigen.
Jedoch bleibt der regulatorische Rahmen fragil. Einigkeit über Basel III ist unter den US-Aufsichtsbehörden nicht vorhanden, und alternative politische Szenarien könnten zu weiteren Abschwächungen führen.
Vor diesem Hintergrund warnen Experten vor den Gefahren eines uneinheitlichen globalen Standards. Internationale finanzpolitische Stabilität erfordere weiterhin strenge Aufsichtsmechanismen, mahnt der Vorsitzende des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Auch der IWF weist auf die zu geringen Puffer im Bankensystem im Angesicht globaler Unsicherheiten hin.
Die Nachwehen der Finanzkrise von 2008 sind noch längst nicht vergessen und einige Maßnahmen bleiben unvollständig oder wirkungslos. Dennoch besteht bei den großen Banken kein Wunsch, die errichtete regulatorische Mauer gänzlich einzureißen, da sie auch als Schutz gegen aufstrebende Fintech-Anbieter dient.
Schlussendlich wird deutlich: Finanzstabilität bleibt eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Wirtschaftspolitik, eine Lehre, die die Regulierungsbehörden nicht aus den Augen verlieren dürfen.