08. Juli, 2024

Politik

Iran entscheidet über neuen Präsidenten: Reformkandidat gegen Hardliner

Iran entscheidet über neuen Präsidenten: Reformkandidat gegen Hardliner

Iranische Bürger stehen vor einer wegweisenden Entscheidung in der Stichwahl um das Präsidentenamt. Knapp 61 Millionen Wahlberechtigte wählen zwischen dem gemäßigten Massud Peseschkian und dem Hardliner Said Dschalili. Ajatollah Ali Chamenei, Irans oberster Führer, eröffnete die Wahl in Teheran. Der neue Präsident wird Ebrahim Raisi nachfolgen, der kürzlich bei einem Hubschrauberunglück ums Leben kam.

Die Wahllokale bleiben bis 16:30 Uhr deutscher Zeit geöffnet, mit der Option auf Verlängerung. Erste Ergebnisse werden bereits am Samstag erwartet. Aus ursprünglich 80 Bewerbern hatte der mächtige Wächterrat nur sechs Kandidaten zugelassen, von denen sich zwei zurückzogen. Anders als in vielen Demokratien liegt die Hauptmacht im Iran jedoch nicht beim Präsidenten, sondern bei Religionsführer Chamenei.

Der 69-jährige Reformkandidat Peseschkian, aus dem Nordwesten Irans stammend, setzt auf neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk. Trotz politischem Répressalien und einer Wirtschaftskrise versprach er im Wahlkampf eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen. Er kritisiert die Internetzensur und das repressive Vorgehen der Sittenwächter gegen Frauen, die gegen die Kopftuchpflicht verstoßen. Peseschkian betont jedoch seine Loyalität zu Chamenei und sieht sich als wertkonservativen Reformer.

Dschalili, ein früherer Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen und enger Vertrauter des Religionsführers, genießt breite Unterstützung radikaler Kreise. Er vertritt die Ideologie der Islamischen Revolution und setzt auf Kontinuität traditioneller Werte.

Die Wahlbeteiligung bei der ersten Runde am vergangenen Freitag erreichte nur etwa 40 Prozent, ein Rekordtief. Diese geringe Beteiligung spiegelt die große Enttäuschung der Jugend wider, die kaum mehr an politischer Veränderung glaubt. Der Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini entfachte landesweite Proteste, und Chamenei wies dennoch die niedrige Wahlbeteiligung als Zeichen der Systemablehnung zurück.

Peseschkian bekam in der ersten Wahlrunde rund 42,5 Prozent der Stimmen, während Dschalili auf 38,7 Prozent kam. Der drittplatzierte, konservative Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf, der 3,4 Millionen Stimmen erhielt, erklärte seine Unterstützung für Dschalili. Dies verschafft dem konservativen Lager einen leichten Vorteil in der Stichwahl.

Viele Menschen boykottieren die Wahl und kritisieren das politische System. Ein 40-jähriger Teheraner sagt, dass die Unterschiede zwischen den Kandidaten gering seien und keinen Einfluss auf Wirtschaft oder Leben hätten. Ein Student bezeichnete den Wahlkampf als inszeniert.

Seit der Revolution von 1979 vereint Irans politisches System republikanische und theokratische Elemente. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: der Wächterrat prüft alle Kandidaten streng. Grundsätzlich systemkritische Stimmen werden nicht geduldet, wie die Niederschlagung früherer Proteste gezeigt hat.