Im Rahmen umfangreicher Modernisierungsbemühungen hat der Irak am Mittwoch mit der Durchführung seines ersten landesweiten Zensus begonnen. Dieses Vorhaben ist nicht nur technischer Natur, sondern zieht auch politische und sozioökonomische Implikationen nach sich, die eine Neuverteilung der Ressourcen und budgetäre Entscheidungen betreffen könnten.
Besonders in Gebieten wie Kirkuk, Diyala und Mossul, die zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der im Norden gelegenen kurdischen Regionalregierung umkämpft sind, steht der Zensus im Zentrum intensiver Beobachtung. Vertreter diverser Minderheiten hegen die Befürchtung, dass eine Verringerung ihrer dokumentierten Bevölkerungszahlen ihren Einfluss und ihre wirtschaftlichen Vorteile innerhalb des sektiererischen Machtteilungsmodells des Irak schmälern könnte.
Entscheidungen zu den Erhebungsverfahren in den umstrittenen Territorien wurden in Konsultationen mit hochrangigen politischen Vertretern, darunter auch irakischer Premierminister, Präsident und führende Beamte der kurdischen Region, getroffen. Um eine faire Durchführung zu gewährleisten, wurden Forscher aller großen ethnischen Gruppierungen in den Prozess eingebunden.
Den letzten vollumfänglichen Zensus erlebte der Irak im Jahr 1987. Die darauffolgende Erhebung im Jahr 1997 schloss die kurdische Region aus. Laut Planungsminister Mohammed Tamim verkörpert der gegenwärtige Zensus eine Entwicklungslandkarte für die Zukunft und sendet ein Signal der Stabilität aus. Erstmals werden fortschrittliche Technologien zur Erfassung und Analyse der Daten genutzt, wodurch ein umfassendes Bild der demografischen, sozialen und wirtschaftlichen Landschaft des Irak vermittelt wird.
Während der Zensus-Phase gilt eine landesweite Ausgangssperre; der Verkehr von Bürgern, Fahrzeugen und Zügen zwischen Städten und ländlichen Bezirken wird eingeschränkt, wobei humanitäre Ausnahmen gewährt werden. Erfasst werden die Bürger nach dem "de jure"-Prinzip, sprich in ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort, was bedeutet, dass intern Vertriebene in ihren jetzigen Wohngebieten gezählt werden.
Eine Schätzung der Bevölkerung beläuft sich gemäß Aussage von Ali Arian Saleh auf 44,5 Millionen, wobei der Anteil der kurdischen Region am nationalen Budget derzeit auf geschätzte 6 Millionen Einwohner basiert. Der Zensus soll zudem Klarheit über die Anzahl der öffentlichen Angestellten in der Region schaffen.