27. September, 2024

Technologie

Intel auf dem Prüfstand: Schock und Hoffnung für den Chip-Giganten

Intel auf dem Prüfstand: Schock und Hoffnung für den Chip-Giganten

Nach einem turbulenten Sommer scheint Intel sich wieder zu erholen. Der Halbleiter-Titan erlebte Anfang August einen drastischen Kurssturz, nachdem das Unternehmen die Erwartungen der Analysten mit seinen Ergebnissen für das zweite Quartal verfehlte, schwache Prognosen für das dritte Quartal abgab, die Dividende strich und einen Restrukturierungsplan ankündigte, der den Abbau von mindestens 15 % der Belegschaft, also 15.000 Arbeitsplätzen, beinhaltete.

Trotz eines dramatischen Einbruchs der Aktienkurse auf unter 20 USD scheint sich die Lage nun zu stabilisieren. Intel verkündete jüngst einen neuen 3-Milliarden-Dollar-Vertrag mit dem US-Verteidigungsministerium sowie eine ausgeweitete Partnerschaft mit Amazon, bei der Intels Foundries KI-Chips für den Tech-Riesen herstellen werden.

In den letzten Tagen deuteten weitere Anzeichen darauf hin, dass die Aktie möglicherweise unterbewertet ist. So äußerte Qualcomm, ein Chip-Hersteller mit einem Marktwert von fast 200 Milliarden USD, Berichten zufolge Interesse an einer Übernahme von Intel. Zudem bot die Private-Equity-Firma Apollo Global Management an, 5 Milliarden USD in Intel-Aktien zu investieren, ein klares Zeichen des Vertrauens in den Turnaround des Unternehmens.

Investoren fragen sich derweil, warum Intel so günstig ist. Die Bewertung von Unternehmen wie Intel kann je nach Ansatz variieren. Während viele Chip-Aktien boomen, bewegt sich Intel in die entgegengesetzte Richtung. Der Aktienkurs liegt beispielsweise bei rund 22 USD und ist damit der niedrigste im Dow Jones Industrial Average. Ein alleiniger Blick auf den Aktienkurs sagt jedoch wenig über die Unternehmensbewertung aus.

Nach dem beliebten Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) ist Intel mit einem Wert von 1,7 deutlich günstiger als viele seiner Wettbewerber wie AMD, Nvidia und Taiwan Semiconductor. Dies legt nahe, dass Intels Aktie bei einer Verbesserung der Margen erhebliches Potenzial hätte. Doch genau hier liegt die Herausforderung: In den letzten Jahren hat Intels Rentabilität stark gelitten, und letztlich zählen für Investoren die Gewinne.

Betrachtet man das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), ist Intel deutlich teurer als TSMC und Nvidia und in der Gruppe das einzige Unternehmen, das derzeit keine Gewinne steigert. Bei der freien Cashflow-Betrachtung sieht die Situation für Intel noch düsterer aus. Das Unternehmen verzeichnete in den letzten vier Quartalen einen negativen freien Cashflow von 10,4 Milliarden USD, während viele Konkurrenten Rekordwerte aufgrund des KI-Booms verbuchen.

Die Argumentation, dass Intel günstig sei – wie potenzielle Bieter wie Qualcomm und Apollo zu glauben scheinen – basiert auf der Annahme, dass die Aktie vorübergehend beeinträchtigt ist und das Unternehmen aufgrund des KI-Booms und der steigenden Nachfrage nach Chipfertigungskapazitäten, insbesondere in den USA, einzigartig gut positioniert sei.

CEO Pat Gelsinger hat hochgesteckte Versprechen zur Potenzialentfaltung des Geschäftsbereichs Intel Foundry Services gemacht. Im April verkündete Gelsinger, dass das Unternehmen bis 2030 operative Margen von 30 % bei den Foundries und 40 % bei den Produkten anstrebt. Sollte Intel diese Margen bei aktuellem KUV erreichen, würde der Aktienkurs fast zwangsläufig von einer Vervielfältigung der Bewertung profitieren.

Nach den letzten Rückschlägen ist es schwierig, diese Vorhersagen für 2030 für bare Münze zu nehmen, aber Intels Foundry-Geschäft ist in einer strategisch vorteilhaften Position, da die US-Regierung es durch den CHIPS Act mit Fördermitteln und Steueranreizen unterstützt, um chinesischer Fertigung und der Bedrohung durch eine mögliche Invasion Taiwans, wo ein großer Teil der weltweiten Hochleistungschips produziert wird, entgegenzuwirken.

Intel hat zudem seinen KI-Chip, den Gaudi 3 Accelerator, gepriesen, der laut Unternehmensangaben schneller sein soll als der Nvidia H100. Es könnte jedoch einige Quartale dauern, um festzustellen, wie sich der Gaudi 3 im Markt schlägt.

Intel als günstig zu beschreiben, erfordert von den Investoren, eine lange Historie von Produktfehlern und verpassten Gelegenheiten zu übersehen – aber es gibt definitiv Wert im Unternehmen. Ob das Management diesen Wert freisetzen kann, bleibt eine offene Frage. Doch die Aktie hat großes Potenzial, sollte Gelsinger seine Ziele für 2030 erreichen oder zumindest bedeutende Fortschritte machen.