16. September, 2024

Wirtschaft

Inflation vorbei? Bundesbank-Chef verunsichert

Bundesbankpräsident Joachim Nagel erklärt die größte Inflationswelle für überwunden, warnt jedoch vor voreiligem Optimismus. Eine klare Aussage zur Zinspolitik bleibt er schuldig.

Inflation vorbei? Bundesbank-Chef verunsichert
Die Finanzmärkte hoffen auf eine Zinssenkung, doch Bundesbankchef Nagel lässt alle im Dunkeln.

Die große Welle ist vorbei – oder doch nicht?

Die Inflationsrate in der Eurozone sinkt, und Bundesbankpräsident Joachim Nagel sieht das Schlimmste überstanden. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigt sich Nagel optimistisch, dass die „große Welle der Inflation“ abebbt und die Teuerung sich auf das angestrebte Ziel von 2 Prozent zubewegt.

Doch der Zentralbanker warnt zugleich vor voreiligem Jubel. „Noch sind wir nicht am Ziel. Wir müssen weiter aufmerksam bleiben und die Risiken auf dem Weg zurück zu stabilen Preisen im Blick behalten,“ so Nagel.

Die Unsicherheit bleibt

Während die Finanzmärkte eine Senkung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) erwarten, bleibt Nagel zurückhaltend. Eine klare Aussage zur nächsten Zinssitzung der EZB am 12. September vermeidet er bewusst.

„Wir sind auch weiterhin nicht mit dem Autopiloten unterwegs“, betont er.

Das bedeutet: Die Zentralbank bleibt flexibel und bereit, je nach Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu reagieren. Eine Zinssenkung ist also möglich, aber keineswegs garantiert.

Für die Anleger und Märkte sind das gemischte Signale. Während eine gesunkene Inflationsrate in der Eurozone Anlass zur Hoffnung gibt, zeigt sich die Bundesbank weiterhin vorsichtig.

Die EZB hatte zuletzt im Juni die Leitzinsen gesenkt und sie im Juli unverändert gelassen, während sie die Möglichkeit einer weiteren Senkung im September offenhielt. Dass die Zentralbanker nun uneinig zu sein scheinen, deutet auf die nach wie vor hohe Unsicherheit hin.

Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Die Unsicherheit über die zukünftige Zinspolitik hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Niedrigere Zinsen könnten Unternehmen und Verbraucher entlasten und Investitionen anregen.

Doch ein vorschneller Schritt in diese Richtung könnte auch Gefahren bergen. Sollte die Inflation doch wieder anziehen, könnte eine zu frühe Zinssenkung die Preisstabilität gefährden und die Glaubwürdigkeit der EZB untergraben.

Hier zeigt sich das Dilemma der Notenbanker: Sie müssen einerseits die Konjunktur stützen und andererseits die Inflation im Griff behalten. Ein Balanceakt, der unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen alles andere als einfach ist.

Die Bundesbank in der Verlustzone

Neben der Inflationsentwicklung beschäftigt Nagel auch die finanzielle Situation der Bundesbank. Im Interview deutet er an, dass auch für das laufende Jahr operative Verluste erwartet werden.

„Wir werden möglicherweise im laufenden Jahr auf einer ähnlichen Größenordnung wie 2023 liegen“, sagt er.

Die Bundesbank habe ihre Risikovorsorge weitgehend aufgebraucht und müsse mit Verlustvorträgen in die kommenden Jahre gehen.

Dennoch bleibt Nagel gelassen. Er verweist auf die soliden Bewertungsreserven der Bundesbank und betont, dass die Gewinne in der Zukunft wieder zurückkommen werden.

„Deshalb muss sich niemand Sorgen machen – die Bundesbank benötigt kein zusätzliches Kapital.“

Vorsicht statt Euphorie

Die Aussagen von Joachim Nagel zeigen deutlich: Trotz einer leichten Entspannung bei der Inflation bleibt die Lage angespannt. Die Bundesbank und die EZB stehen vor der Herausforderung, die richtige Balance zwischen Konjunkturförderung und Inflationsbekämpfung zu finden.

Für Unternehmen, Verbraucher und Investoren heißt das, sich auf weiterhin unsichere Zeiten einzustellen. Die Hoffnungen auf eine rasche Entspannung am Zinsmarkt könnten sich als verfrüht erweisen.