Infineon meint es ernst – nicht nur mit Chips, sondern mit der Rolle als Architekt der vernetzten Mobilität. Für 2,5 Milliarden Dollar übernimmt der Münchner Konzern das Ethernet-Geschäft des US-Rivalen Marvell Technology.
Was auf den ersten Blick wie ein klassischer Zukauf im Autosektor wirkt, ist in Wahrheit eine strategische Richtungsentscheidung: Es geht um Daten, um Geschwindigkeit – und um Macht in einem Markt, der sich gerade neu erfindet.
Ethernet fürs Auto – das Nervensystem moderner Fahrzeuge
Was Infineon da kauft, ist kein Zulieferbetrieb alter Schule. Es ist eine Schlüsseltechnologie für die Mobilität von morgen: Ethernet-Kommunikation in Fahrzeugen. In E-Autos mit softwarebasierter Steuerung entscheidet der Datenfluss über Leistung, Effizienz und Sicherheit.
Autonomes Fahren, Over-the-Air-Updates, künstliche Intelligenz im Fahrzeug – all das braucht robuste, schnelle Netzwerke unter der Haube. Und genau hier setzt Marvells Technologiesparte an.
Infineon erhält mit dem Zukauf nicht nur Zugriff auf Kunden wie Mercedes, BMW, Toyota oder General Motors – sondern auch auf ein Geschäft mit 225 bis 250 Millionen Dollar Jahresumsatz und einer Bruttomarge von 60 Prozent. Das ist für die Chipindustrie beachtlich.
Noch wichtiger aber ist: Der Markt wächst – und Infineon ist nun mittendrin statt nur dabei.

Offensive in den USA – auch geopolitisch klug
Dass der Zukauf in den USA stattfindet, ist kein Zufall. Infineon stärkt damit seine Verankerung in einem geopolitisch zunehmend sensiblen Technologiefeld.
Der Deal ist ein Signal an Washington: Seht her, wir investieren, schaffen Wertschöpfung, sichern Jobs – und sind keine chinesische Konkurrenz. In Zeiten von Technologiebeschränkungen, Investitionsprüfungen und Subventionspolitik ist das ein smarter Zug.
Vorstandschef Jochen Hanebeck formuliert es diplomatisch, aber unmissverständlich: Die Übernahme stärke Infineons US-Präsenz „einschließlich Forschung und Entwicklung“. Auch das Silicon Valley spielt eine Rolle, denn Marvells Ethernet-Sparte sitzt dort – und bringt Hunderte Entwickler mit.
Der Markt liebt es – doch die Schulden wachsen
An der Börse kommt der Schritt gut an. Analysten loben die hohe Marge, das strategische Potenzial – und die konsequente Umsetzung der Infineon-Strategie, sich vom Zulieferer zum Enabler autonomer Fahrzeuge zu entwickeln. Die Aktie reagiert freundlich.
Finanziert wird der Deal teilweise mit einem Brückenkredit. Die Verschuldung steigt, doch Infineon verweist darauf, dass man die Schuldenquote unter 25 Prozent der Bilanzsumme halten will.
Aktuell liegt sie bei gut 13 Prozent – Spielraum ist also vorhanden. Trotzdem bleibt: Es ist ein Wachstumsdeal auf Pump. Und in einem von Zinssorgen geprägten Umfeld wird das nicht jeder Anleger lieben.
Es geht um mehr als Autos
Interessant ist, wie klar Infineon den Blick über den Tellerrand richtet. Hanebeck spricht ausdrücklich von Chancen im Feld der „physischen Künstlichen Intelligenz“ – also Maschinen, Robotern, autonomen Systemen, die auf Sensorik und Vernetzung angewiesen sind.
Das ist ambitioniert – und zeigt, wie groß Infineon denkt. Der Deal mit Marvell ist nicht nur ein Investment in den Autosektor, sondern eine Eintrittskarte in das Silicon Valley der maschinellen Zukunft.
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