Ein Forschungsteam berichtet im Fachjournal „Communications Earth & Environment“, dass die Reduktion der Schwefeldioxid-Emissionen im Schiffsverkehr seit 2020 zu einer unerwartet starken Erwärmung in bestimmten Ozeanregionen geführt hat. Die neuen Vorschriften der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO2020) senkten den Schwefelgehalt in Schiffskraftstoffen drastisch, was zu einem erheblichen Rückgang der atmosphärischen Sulfataerosole und somit der Wolkentröpfchendichte führte. Dies bewirkte eine Verdunklung der Meereswolken, wodurch weniger Sonnenstrahlung ins All reflektiert wurde.
Die Studie schätzt, dass etwa 80 Prozent des Anstiegs der auf der Erde gespeicherten Wärmeenergie seit 2020 auf diese Veränderungen zurückzuführen sein könnten. Besonders betroffen seien befahrene Schifffahrtsrouten im Nordatlantik, Karibischen Meer und Südchinesischen Meer. Die Forschenden betonen jedoch, dass die Ergebnisse auf einem kurzen Beobachtungszeitraum basieren und daher Unsicherheiten bergen.
Der leitende Wissenschaftler Tianle Yuan von der University of Maryland bezeichnet die IMO2020-Regelung als „starken temporären Schock“ für das Klima, der die 2020er-Jahre außergewöhnlich warm erscheinen lassen könnte. Modellierungen zufolge könnte die Erwärmungsrate für das laufende Jahrzehnt auf 0,24 Grad steigen, mehr als doppelt so viel wie durchschnittlich seit 1880.
Kritik kommt von unabhängigen Experten, die die Methodik der Studie hinterfragen. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt vor voreiligen Schlüssen und betont, dass andere Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen könnten. Niklas Höhne von der Universität Wageningen hebt hervor, dass die Hauptursache weiterhin der steigende Ausstoß von Treibhausgasen bleibe.
Tianle Yuen und sein Team diskutieren auch das Potenzial von Geoengineering-Maßnahmen wie der Aufhellung von Meereswolken mittels Aerosolen, um die Klimaerwärmung temporär abzuschwächen. Diese Ansatzpunkte seien jedoch mit erheblichen Risiken verbunden und keine dauerhafte Lösung. Levermann äußert Bedenken hinsichtlich der geopolitischen und klimatischen Konsequenzen solcher Eingriffe.
Die Ozeane schlucken über 90 Prozent der Wärme, die durch den Klimawandel erzeugt wird, was sie zu einem wichtigen Wärmepuffer macht. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass menschliche Aktivitäten, wie der Rückgang von Feinstaub-Aerosolen über China, signifikante Auswirkungen auf die klimatischen Bedingungen haben können.
Die Debatte um die Abwägung zwischen Luftreinhaltung und Klimaschutz bleibt bestehen. Levermann fordert, dass saubere Luft und Klimaschutz Hand in Hand gehen müssen, ohne dass die negativen Folgen des Klimawandels durch verschmutzte Luft verdeckt werden.