Der Wunsch nach Wohneigentum wächst, doch nicht jeder verfügt über ausreichend Eigenkapital. Dabei gibt es Möglichkeiten, auch ohne Eigenkapital eine Immobilie zu finanzieren – doch Banken prüfen genau, wer für eine solche 100-Prozent-Finanzierung in Frage kommt.
In Deutschland macht diese Art der Finanzierung seit Anfang 2024 etwa elf Prozent aller Baukredite aus, und insbesondere Kapitalanleger nutzen diese Möglichkeit. Für Interessierte lohnt sich ein genauer Blick auf die Bedingungen und Risiken.
Wer bekommt einen Kredit ohne Eigenkapital?
Max Herbst von der FMH-Finanzberatung beschreibt die 100-Prozent-Finanzierung als eine „unter der Ladentheke“ liegende Option.
Das bedeutet, dass Banken diese Möglichkeit nicht aktiv bewerben, sondern nur gezielt anbieten – meist nur für Kunden mit überdurchschnittlich hohem und sicherem Einkommen.
„Meist handelt es sich um kinderlose Paare, die beide in gut bezahlten Positionen arbeiten,“ so Finanzierungsexperte Benjamin Papo von der Bilthouse-Gruppe.
Besonders gefragt sind diese Finanzierungen bei Beamten und Personen mit festem Einkommen.
So prüfen Banken die Kreditwürdigkeit
Bei der Vergabe von Immobilienkrediten ohne Eigenkapital sind Banken besonders streng. Papo erklärt, dass Banken vor allem drei Kriterien im Blick haben: den Wert der Immobilie, die Bonität der Kreditnehmer und die sogenannte Kapitaldienstfähigkeit.
Ein modernes oder gut erhaltenes Haus in einer gefragten Lage erhöht die Chancen auf eine Finanzierung. Bei der Bonitätsprüfung achten Banken auf ein sicheres, hohes Einkommen.
Ein dritter wichtiger Faktor ist die Kapitaldienstfähigkeit – also die Fähigkeit, den Kredit bis zur vollständigen Tilgung bedienen zu können.
Warum gerade jetzt wieder mehr Menschen kaufen wollen
Viele Käufer wagen den Schritt zum Eigenheim trotz geringer Eigenmittel aus zwei Gründen: niedrigere Kreditzinsen und stark gestiegene Mietpreise.
„Für viele Käufer ist Eigentum die einzige Chance, steigenden Mieten zu entgehen“, sagt Herbst.
Besonders bei Mietwohnungen sind die Preise in den letzten Jahren deutlich gestiegen, während die Immobilienpreise in einigen Regionen leicht zurückgingen. Das Eigenheim wird so auch für jene erschwinglich, die die Mietbelastung satt haben – auch ohne großes Eigenkapital.
Risiken und Kosten einer 100-Prozent-Finanzierung
Der fehlende Eigenkapitalanteil bedeutet für die Banken ein höheres Risiko, das sich auch in den Zinssätzen widerspiegelt. Laut FMH-Finanzberatung zahlen Kreditnehmer für eine 100-Prozent-Finanzierung meist etwa 0,3 Prozentpunkte mehr Zinsen als bei einer klassischen Finanzierung mit 80 Prozent Kreditanteil. Dieser scheinbar geringe Unterschied summiert sich über die Laufzeit zu einer erheblichen Summe.
Mirjam Mohr von Interhyp gibt ein Beispiel: Ein Paar kauft eine Immobilie für 322.000 Euro. Bei einer Finanzierung von 90 Prozent zahlen sie bei einem Zinssatz von 3,33 Prozent monatlich etwa 1.287 Euro.
Wird hingegen der gesamte Kaufpreis finanziert, steigt der Zinssatz auf 3,92 Prozent – die Monatsrate liegt dann bei rund 1.588 Euro. Das macht über die Jahre einen deutlichen Unterschied.
Tipps für Interessierte
Interessierte sollten nicht nur nach dem günstigsten Zinssatz suchen, sondern auch flexible Konditionen prüfen. Mohr empfiehlt, darauf zu achten, dass der Kredit Sondertilgungen ermöglicht und die Tilgung während der Zinsbindung kostenfrei angepasst werden kann.
So lässt sich der Kredit schneller zurückzahlen, wenn später einmal mehr Geld zur Verfügung steht.
Zusätzlich kann es sinnvoll sein, die Finanzierung aufzuteilen. „Wer in den nächsten Jahren mit einer größeren Summe rechnet – etwa einem Bonus – könnte einen Teil des Kredits mit kürzerer Laufzeit aufnehmen und dann schneller tilgen“, rät Papo.
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Ein Spielraum für Regionalbanken
Laut FMH-Finanzberatung bieten vor allem Regionalbanken häufig 100-Prozent-Finanzierungen an. „Diese Institute haben oft ein besseres Gefühl für den örtlichen Immobilienmarkt und sehen die Marktchancen in ihrer Region anders als große Banken“, erklärt Herbst.
Dennoch rät er Käufern, verschiedene Angebote einzuholen – auch, um das bestmögliche Angebot zu finden. „Ein Tipp, der sich nicht nur für 100-Prozent-Finanzierungen lohnt,“ ergänzt er.
Eigentum ohne Eigenkapital – aber mit Bedacht
Die 100-Prozent-Finanzierung kann eine Chance sein, doch sie bringt auch Herausforderungen. Wer wenig oder kein Eigenkapital hat, sollte seine Möglichkeiten genau prüfen und sich auf höhere monatliche Raten einstellen. Langfristig lohnt sich der Schritt ins eigene Heim trotzdem – besonders, wenn die Tilgung flexibel angepasst werden kann und die Immobilie in einer wertstabilen Lage liegt.
Am Ende bleibt die 100-Prozent-Finanzierung eine Option für finanzstarke Käufer, die trotz des Zinsaufschlags bereit sind, den Traum vom Eigenheim anzugehen