Immo Tommy: Die Abgründe eines Immobilien-Influencers
Die jüngsten Entwicklungen um Tomislav Primorac, besser bekannt als „Immo Tommy“, werfen ein neues Licht auf die dunklen Seiten des Immobilienmarktes. Geschädigte Anleger mobilisieren sich, um gegen den selbsternannten „Guru“ der Branche vorzugehen.
Das gescheiterte Versprechen des Immobilien-Gurus
Mit fast zwei Millionen Followern war Tomislav Primorac, alias Immo Tommy, einst der Superstar der Immobilienwelt auf Social Media.
Sein Versprechen klang wie ein Traum: Immobilieninvestments ohne Eigenkapital, schnelle Gewinne und finanzielle Freiheit. Doch hinter der glitzernden Fassade liegt eine Spur der Enttäuschung, die immer mehr Anleger offenlegen.
Die InvestmenWeek berichtete bereits mehrfach darüber:
Viele der von ihm vermittelten Objekte entpuppten sich als sanierungsbedürftig, in schlechter Lage oder völlig überteuert. Finanzierungsmodelle waren oft so undurchsichtig, dass Anleger in finanziellen Ruin gerieten.
Geschädigte schlagen zurück
Der Widerstand gegen Immo Tommy wächst. Immer mehr Geschädigte, die durch seine Immobiliengeschäfte finanzielle Verluste erlitten haben, organisieren sich, tauschen Informationen aus und leiten rechtliche Schritte ein. Zahlreiche Klagen gegen Tomislav Primorac und sein weit verzweigtes Netzwerk sind bereits anhängig. Diese Klagen offenbaren die systematische Struktur eines Modells, das viele Anleger in die Irre geführt hat.
Bereits im März 2024, vor der Spiegel-Recherche haben wir erstmals berichtet:
Ein besonders aufsehenerregender Fall: Ein Investor kaufte über Tommys Netzwerk zwei Wohnungen für insgesamt 568.000 Euro. Doch schon kurz nach dem Kauf offenbarte sich das wahre Ausmaß der Probleme. Fenster und Heizung waren defekt, und die angegebenen Baujahre stimmten nicht mit den Tatsachen überein.
Eine genauere Untersuchung ergab, dass der ursprüngliche Verkäufer lediglich 260.000 Euro für die Immobilien erhalten hatte – die Differenz von 308.000 Euro floss offenbar als verdeckte Provisionen an das Netzwerk von Immo Tommy. Diese astronomische Summe zeigt, wie skrupellos Anlegern erhebliche Aufpreise berechnet wurden.
Noch drastischer: Ein weiterer Fall aus dem Jahr 2021 brachte den SPIEGEL erneut auf den Plan. Ein Geschädigter hatte direkt über Immo Tommy – ohne Vermittler oder Vertriebspartner – eine Immobilie erworben.
Das Ergebnis: Die Immobilie war massiv überteuert, die Bausubstanz mangelhaft, und viele der Versprechungen, die Tommy persönlich gemacht hatte, erwiesen sich als falsch. Trotz direkter Kommunikation mit Tommy vor dem Kauf blieb der Geschädigte nach der Transaktion ohne Antworten. Selbst wiederholte Versuche, Kontakt aufzunehmen, blieben erfolglos. Die Frustration treibt den Betroffenen nun dazu, rechtliche Schritte zu prüfen.
Doch diese beiden Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. In Online-Foren und sozialen Netzwerken berichten Dutzende weiterer Geschädigter von ähnlichen Erfahrungen. Besonders pikant: Viele dieser Berichte zeichnen ein Muster auf, das auf systematische Intransparenz und gezielte Irreführung hinweist. Anlegern wurden unrealistische Wertsteigerungen und geringe Risiken versprochen, während sie tatsächlich in sanierungsbedürftige und überteuerte Immobilien investierten.
Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, dass einige der Immobilien in Rechtsstreitigkeiten mit Vorbesitzern verwickelt waren oder unklare Eigentumsverhältnisse aufwiesen.
Solche Komplikationen belasten die Anleger finanziell und emotional zusätzlich. Während die meisten Geschädigten hoffen, durch Klagen wenigstens einen Teil ihres investierten Kapitals zurückzubekommen, bleibt unklar, ob und in welchem Umfang dies möglich sein wird.
Vom Star zum Schweigen: Immo Tommy bricht ab
Während Tomislav Primorac zunächst mit emotionalen Videobotschaften reagierte, in denen er Fehler einräumte und Kritik an den Medien äußerte, ist es mittlerweile still um den Influencer geworden. Seine Social-Media-Kanäle, die einst voller Stolz seine Erfolge präsentierten, sind nun auffallend ruhig.
Die plötzliche Funkstille wirft neue Fragen auf. Experten sehen darin einen möglichen Versuch, der immer größer werdenden Klagewelle zu entkommen.
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Das dubiose Vermittlernetzwerk
Ein zentraler Bestandteil von Immo Tommys Geschäftsmodell ist sein weit verzweigtes Netzwerk aus Vermittlern. Diese lockten vor allem unerfahrene Anleger mit Versprechen von Sicherheit, einfacher Rendite und schnellen Erfolgen.
Die Provisionen und Aufschläge, die im Rahmen der Immobilienkäufe anfielen, waren oft immens und führten dazu, dass die tatsächlichen Immobilienpreise weit über dem Marktwert lagen.
Viele Anleger erfuhren erst nach Vertragsabschluss, dass sie nicht nur sanierungsbedürftige Objekte in weniger attraktiven Lagen erworben hatten, sondern auch völlig überhöhte Darlehen aufnahmen. Diese Darlehen deckten nicht nur die eigentlichen Immobilienkosten, sondern auch die versteckten Vermittlungsprovisionen, die oft nicht klar offengelegt wurden.
Insbesondere die Intransparenz bei den Verträgen sorgte für erhebliche Kritik. Experten bemängeln, dass die Anleger ohne die Offenlegung der realen Kosten keinerlei Chance hatten, die wahren Risiken ihrer Investition einzuschätzen. Stattdessen wurden Wohnungen, die sich später als kaum rentabel herausstellten, als „Top-Investment“ beworben.
Besonders heikel: Recherchen ergaben, dass viele der Vermittler weder über die notwendige Erfahrung noch über eine fundierte Ausbildung verfügten. Einige agierten sogar ohne entsprechende Zulassungen, was die Rechtslage in diesen Fällen zusätzlich erschwert. Kritiker werfen dem Netzwerk vor, gezielt Unerfahrenheit und die Hoffnungen auf schnelle Gewinne auszunutzen.
Die hohen Provisionen, die teilweise 20 bis 30 Prozent des Immobilienpreises ausmachten, sind dabei nicht nur eine ethische, sondern auch eine rechtliche Grauzone. Während Vermittler von diesen Zahlungen profitierten, blieben die Investoren auf Objekten sitzen, deren Wert meist weit unter den gezahlten Preisen lag.
Um die wahre Tragweite des Netzwerks zu verschleiern, wurden laut Aussagen einiger Geschädigter oft mehrere Vermittlerketten zwischengeschaltet. Diese Vorgehensweise erschwerte es den Anlegern, die eigentlichen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Medien und Aufsichtsbehörden unter Beschuss
Nicht nur Immo Tommy selbst steht in der Kritik. Auch die Medien und die Finanzaufsicht werden zunehmend hinterfragt. Warum konnte ein derart fragwürdiges Geschäftsmodell so lange ungestört operieren? Diese Frage sorgt inzwischen nicht nur bei betroffenen Anlegern für Empörung, sondern beschäftigt auch Branchenexperten und Verbraucherschützer.
Ein Hauptproblem: Viele Medienberichte priesen Immo Tommy anfänglich unkritisch als „Erfolgsgeschichte“ an, ohne die Hintergründe seiner Geschäftsmodelle zu hinterfragen.
Die Rolle sozialer Medien wie TikTok und Instagram, die durch Algorithmen gezielt Inhalte wie seine Erfolgsvideos pushten, bleibt dabei besonders umstritten. Diese Plattformen ermöglichten es, Millionen Menschen zu erreichen – oft ohne jegliche Regulierung oder Kontrolle.
Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gerät ins Visier. Obwohl immer wieder Hinweise auf zweifelhafte Praktiken vorlagen, blieben präventive Maßnahmen aus. Kritiker werfen der Behörde vor, den dynamischen Entwicklungen im Bereich Social Media und Finanzmarketing hinterherzuhinken. Verbraucherschützer wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordern inzwischen strengere Regeln für Finanz-Influencer und eine deutlich frühere Intervention der BaFin.
Ein weiteres Problem liegt in der mangelnden Transparenz der Plattformen selbst. Während klassische Medien zumindest einer grundsätzlichen journalistischen Kontrolle unterliegen, können Influencer wie Immo Tommy nahezu unkontrolliert Inhalte verbreiten. Gerade im Bereich komplexer Finanzprodukte wie Immobilieninvestments zeigt sich, wie risikoreich diese Lücken für unerfahrene Anleger sein können.
Medienexperten fordern nun nicht nur eine verstärkte Prüfung von Inhalten durch Plattformbetreiber, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung für Influencer, ihre Geschäftsmodelle offenzulegen.
Lehren für Anleger
Der Fall Immo Tommy ist eine Mahnung für alle Anleger: Glitzernde Social-Media-Versprechen sind selten der Weg zu sicherem Reichtum. Immobilieninvestments sind komplex und erfordern fundierte Kenntnisse und unabhängige Beratung.
Vor jeder Investition sollten Anleger die Objekte, Finanzierungsmodelle und Vermittler genau prüfen. Zudem ist es ratsam, unabhängigen Rat einzuholen, statt blind den Aussagen eines Influencers zu vertrauen.
Während die Geschädigten kämpfen, bleiben viele Fragen offen: Wird Tomislav Primorac zur Rechenschaft gezogen? Und wie können künftig solche Fälle verhindert werden?