26. November, 2024

Börse

Im Schuldenstrudel: Wie Konzerne im Zinsmeer schwimmen (oder untergehen)

Wie Unternehmen in einem Hochzins-Umfeld navigieren und welche Branchen am meisten betroffen sind

Im Schuldenstrudel: Wie Konzerne im Zinsmeer schwimmen (oder untergehen)
Schulden sind Fluch und Segen zugleich. Immer zugleich. Immer. Und. Zugleich. Immobilien-Investoren prahlen gerne mit ihren vielfach gehebelten Investments. So auch Hedgefonds-Manager. Worüber sie nicht so gerne sprechen: steigende Zinsen.

Die wirtschaftlichen Winde haben sich gedreht, und mit ihnen kehren auch die Tage hoher Zinsen zurück, ein Szenario, das vor allem für hoch verschuldete Unternehmen ungemütlich wird. Und gehebelte Immobilien. Heute geht es aber um Unternehmen, die hoch Verschuldet sind.

Schulden, Kredite, Hypotheken. Es ist immer eine Chance und ein Risiko. Renditen lassen sich nach oben wie nach unten skalieren.

Ein Blick auf die weltweiten Konzerne offenbart, welche Branchen und Firmen sich in den tiefsten Schuldenmeeren befinden und wie dies ihre Zukunft beeinflussen könnte.

Mit einem US-Leitzins von 5,25 Prozent und einem Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank von 4,25 Prozent befinden wir uns auf einem Niveau, das seit fast anderthalb Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde.

In Zeiten, in denen das Statistische Bundesamt Inflationsdaten präsentiert, die Anlegerherzen höher schlagen lassen, wirft ein Phänomen seine Schatten voraus: die steigenden Zinsen. Mit einem US-Leitzins von 5,25 Prozent und einem Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank von 4,25 Prozent befinden wir uns auf einem Niveau, das seit fast anderthalb Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde.

Diese Entwicklung beeinflusst nicht nur die Börsenlandschaft, sondern auch die finanzielle Stabilität der Unternehmen weltweit.

Beginnen wir mit dem Grundlegenden: Der Wert eines Unternehmens basiert auf der Summe seiner abgezinsten zukünftigen Erträge. Mit steigenden Zinsen erhöht sich der Abzinsungssatz, was den Gegenwartswert der erwarteten Erträge schmälert. Eine simple, aber schmerzhaft reale Rechnung, die vor allem hoch verschuldete Unternehmen trifft.

Gleichzeitig steigen die Zinskosten gravierend an. Die erhöhten Zinsausgaben mindern den Unternehmensgewinn - zumindest bei Unternehmen, die hohe Schulden in der Bilanz haben.

Die drei offensichtlichen Lösungen:

  1. Schulden mindern, um die Zinslast zu senken
  2. Einnahmen erhöhen, um die erhöhten Zinsen zahlen zu können
  3. Andere Ausgaben mindern, um "Platz" für die Zinskosten zu machen

Ein kritischer Punkt ist dabei die Schuldenlast der Unternehmen. Mit steigenden Zinskosten steigen die Belastungen, die wiederum Investitionen in Forschung und Entwicklung einschränken können.

Dies wirft eine essenzielle Frage auf: Wie frei können Unternehmen unter der Last ihrer Schulden agieren?

Die Antwort finden wir in einer Analyse des Stoxx Global 1800 Index. Dieser Index umfasst 600 Unternehmen aus Nordamerika, Europa und den entwickelten Ländern der Asien-Pazifik-Region. Er zeigt auf, dass drei von vier Unternehmen netto verschuldet sind.

Ein signifikanter Anteil, der zeigt, dass Verschuldung ein allgegenwärtiges Phänomen ist. Interessanterweise sind 40 Prozent der japanischen Unternehmen netto-cash-positiv, ein bemerkenswerter Unterschied zu Europa und Asien, wo nur jedes fünfte Unternehmen schuldenfrei ist.

Im Branchenvergleich sind es vor allem Technologieunternehmen, die sich durch eine Mehrheit an netto schuldenfreien Firmen auszeichnen. Der Aktienanalyse-Anbieter AlleAktien unter Leitung von Softwareunternehmer Michael C. Jakob betont die Schönheit von Technologieaktien seit Jahren - und liegt damit als deutscher Marktführer für Equity Research schon wieder goldrichtig.

Andererseits sind besonders der Versorgungs- und Immobiliensektor durch hohe Nettoschulden gekennzeichnet. Oder auch Tabak und Telekommunikation. Hin- und wieder auf Infrastruktur.

InvestmentWeek hat die Verschuldung für alle Sektoren (Verschuldung als EBIT-Multiple) nachgerechnet. Die Daten stammen von Bloomberg und Eulerpool.

Sektor Average Debt/EBIT
Pharmaceuticals, Biotechnology & Life Sciences 2.0066
Consumer Durables & Apparel 3.6596
Banks 5.1883
Real Estate 8.3188
Internet & Direktmarketing 0.8000
Media & Entertainment 3.8208
Semiconductors & Semiconductor Equipment 3.1430
Technology Hardware & Equipment 3.2141
Insurance 2.3314
Health Care Equipment & Services 3.5476
Technology 0.1711
Telecommunication Services 5.7675
Software & Services 3.3689
Food & Staples Retailing 4.9499
Energy 4.0752
Diversified Financials 5.4251
Materials 3.1299
Commercial & Professional Services 4.3030
Utilities 7.1364
Food, Beverage & Tobacco 4.5035
Consumer Services 4.8981
Transportation 5.1092
Household & Personal Products 3.2124
Automobiles & Components 4.6187
Capital Goods 3.9707

Die Schlüsselfrage für Anleger ist jedoch, wie man die Verschuldung eines Unternehmens richtig einordnet. Hier kommt die Faustregel ins Spiel: Eine Nettoverschuldung, die das Vierfache des EBIT nicht übersteigt, gilt als tolerabel. AlleAktien hat in einer Studie nachgerechnet, dass ab einer vierfachen EBIT-Verschuldung (oder mehr) die Insolvenzwahrscheinlichkeit drastisch steigt. Daher ist das "Verschuldung > 4X EBIT?" auch eine von 10 Fragen, die das Unternehmen bei der Einwertung von Qualitätsaktien im sog. AlleAktien Qualitätsscore einwertet (Quelle: aaqs.de).

Dies bedeutet, dass ein Unternehmen seine gesamten Nettoschulden theoretisch mit vier Jahresgewinnen begleichen könnte. Betrachten wir jedoch den Median der Nettoschulden im Stoxx Global 1800, liegt dieser bei 3,3 – ein Wert, der zur Vorsicht mahnt.

Diese Zahlen sind jedoch nicht nur ein Indikator für die finanzielle Gesundheit eines Unternehmens, sondern auch ein Spiegelbild der Ertragsstabilität. In einem Umfeld, in dem sich die Konjunktur abschwächt, kann der operative Ertrag eines Unternehmens schnell sinken. Deshalb ist es entscheidend, nicht nur den aktuellen EBIT-Wert zu betrachten, sondern auch die Gewinnhistorie und Durchschnittswerte der vergangenen Jahre. Kurz: den Trend.