In Deutschland zu reisen, bedeutet oft eines: Verspätungen. Zugausfälle. Genervte Fahrgäste, die auf leeren Bahnsteigen stehen und sich fragen, wann die nächste Verbindung endlich losrollt. Dass dieses Problem längst über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist, zeigt nun der Schweizer Bahnchef Vincent Ducrot. Sein Urteil über die Deutsche Bahn? Deutlich und ohne Zögern: „Euer System ist kaputt.“
Die Schweiz stoppt deutsche Züge
Man stelle sich vor: Du sitzt im ICE von Berlin nach Zürich, hast schon eine ordentliche Verspätung – und dann das. Kurz vor Basel heißt es: Endstation. Der Grund? Die Schweiz will ihren Bahnverkehr nicht durch verspätete deutsche Züge aus dem Takt bringen.
Seit letztem Jahr stoppen die Schweizer besonders langsame Verbindungen aus Deutschland kurzerhand an der Grenze, um die eigenen Züge pünktlich zu halten.
„Ab da bin ich für meine Kunden verantwortlich“, sagt Ducrot trocken.
Die Pünktlichkeit ist in der Schweiz eine Art nationales Heiligtum. Die Züge kommen einfach rechtzeitig. Punkt. In Deutschland? Ein Wunschtraum. Und genau da liegt das Problem.
„Zu wenig für das Netz getan“
Ducrot schaut mit einer Mischung aus Mitleid und Verwunderung auf die Deutsche Bahn. „Man hat zu wenig für das Netz getan. Das rächt sich heute“, sagt er. Jahrelang wurde in Deutschland nicht ausreichend investiert, das Ergebnis: veraltete Infrastruktur, zu wenige Züge, unzählige Baustellen.
Klar, jetzt will die Politik mehr Geld locker machen – aber der Bahnchef aus der Schweiz sieht das skeptisch. „Zuerst gab es viel Geld, dann wurde der Plan gekippt, und jetzt sucht man krampfhaft nach neuen Mitteln.“ Für ihn fehlt der langfristige Plan, das große Ganze. Ein bisschen Flickschusterei hier und da wird das Riesenproblem nicht lösen.
Digitalisierung – Fehlanzeige in Deutschland
Ein weiteres großes Thema, bei dem die Deutsche Bahn hinterherhinkt: Digitalisierung. In der Schweiz wird längst auf moderne, vernetzte Systeme gesetzt, die den Zugverkehr effizienter machen. In Deutschland dagegen läuft vieles noch analog.
Keine vernetzten Strecken, keine Echtzeit-Daten, die den Ablauf steuern könnten. „Ihr seid da einfach nicht weit genug“, konstatiert Ducrot nüchtern. Klingt hart, ist aber die Realität.
Eine Konzernstruktur, die blockiert
Und dann wäre da noch die Struktur der Deutschen Bahn. Ein Konzern, der in verschiedene Bereiche zerteilt ist: Infrastruktur, Personenverkehr, Güterverkehr – jeder macht sein Ding, Kommunikation Fehlanzeige. Auch das sieht Ducrot kritisch.
„Das führt zwangsläufig dazu, dass man weniger miteinander spricht und zuerst für sich selbst schaut.“
Eine unpraktische Trennung, die den Betrieb in Deutschland eher blockiert als fördert. Ein gemeinsames Ziel? Fehlanzeige.
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