12. Dezember, 2024

Startups & VC

Hoffnungsträger Ride: Wie ein Fintech an Partnern scheitert

Das Berliner Fintech Ride galt als Vorreiter für innovative Steuerlösungen. Doch nach der Übernahme aus der Insolvenz folgt der Absturz: Betriebsstopp, ausbleibende Gehälter und drohende Kündigungen werfen Fragen auf.

Hoffnungsträger Ride: Wie ein Fintech an Partnern scheitert
Der plötzliche Rückzug von Steuerberatern bringt das Fintech Ride zu Fall. Für Mitarbeiter und Kunden bedeutet das ein abruptes Ende.

Vom Comeback zur Katastrophe

Noch vor wenigen Tagen präsentierte sich das Berliner Steuer-Fintech Ride in einem Webinar als geretteter Vorreiter. „Gestärkt aus der Krise“ lautete das Motto, unter dem Kunden und Investoren zurückgewonnen werden sollten.

Neue Führung, frisches Kapital und ambitionierte Pläne – alles schien bereit für einen Neustart. Doch nur Tage später folgte die Ernüchterung: Der neue Eigentümer kündigte einen Betriebsstopp an, Mitarbeiter wurden über ausbleibende Novembergehälter informiert, und Entlassungen stehen im Raum.

Die Nachricht traf das Team um CEO Samed Yilmaz wie ein Schock.

„Es flossen Tränen“, berichtete ein Teilnehmer eines hastig einberufenen Krisenmeetings. Für ein Unternehmen, das noch vor Kurzem als vielversprechender Akteur im Fintech-Bereich galt, ist dies ein beispielloser Absturz.

Steuerberater springen ab, das Geschäftsmodell wackelt

Der Grund für die plötzliche Kehrtwende liegt in der Abhängigkeit von externen Steuerberater-Partnern. Diese waren essenziell für das Geschäftsmodell von Ride, das sich auf die Gründung und Verwaltung vermögensverwaltender GmbHs spezialisierte.

Doch mehrere dieser Partner entschieden sich unerwartet gegen eine weitere Zusammenarbeit. Ohne sie ist das Geschäftsmodell nicht tragfähig – eine Realität, die Eigentümer Raoul Heraeus nicht ignorieren konnte.

„Die Entscheidung war für uns alle absolut unerwartet“, erklärte Heraeus.

Obwohl Investitionen im siebenstelligen Bereich geplant waren, sei der Betrieb ohne die Steuerberater nicht weiterzuführen.

Schwere Vorwürfe gegen den Investor

Die dramatischen Ereignisse werfen ein schlechtes Licht auf die Übernahme von Ride. Ein anonymer Mitarbeiter äußerte den Verdacht, dass der Investor gezielt die firmeneigene Software „WePa“ günstig sichern wollte.

Das Tool, mit dem Wertpapiertransaktionen steuerrechtskonform automatisiert werden können, könnte für Banken und Vermögensverwalter äußerst lukrativ sein.

Heraeus widerspricht vehement: „Es ging uns darum, das Unternehmen als Ganzes zu unterstützen und weiterzuentwickeln.“

Dennoch bleibt die Frage, warum die Fortführung des Betriebs trotz der Investitionen nicht länger möglich war.

Insolvenz mit Ansage? Eine chaotische Vorgeschichte

Die Probleme bei Ride begannen nicht erst mit der aktuellen Krise. Schon im September meldete das Fintech Insolvenz an, nachdem finanzielle Altlasten aus fragwürdigen Immobiliendeals bekannt wurden.

Prominente Investoren wie Mario Götze und Verena Pausder hatten zuvor hohe Summen in das Unternehmen gesteckt. Doch die Hoffnungen auf eine nachhaltige Erholung zerschlugen sich.

Nach der Insolvenz war Ride ein begehrtes Ziel für Übernahmen, doch die meisten Interessenten wollten lediglich profitable Geschäftsbereiche erwerben. Am Ende erhielt Heraeus den Zuschlag – nicht wegen des höchsten Gebots, sondern weil er versprach, das Team vollständig zu übernehmen.

Ein unsicheres Weihnachten für die Belegschaft

Für die Mitarbeiter bedeutet der drohende Betriebsstopp ein bitteres Ende des Jahres. Obwohl Heraeus ankündigte, die Gehälter für November nachzuzahlen, bleibt die Unsicherheit groß. Viele Beschäftigte, darunter auch schwangere Mitarbeiterinnen, stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Die Frage bleibt, ob Ride eine zweite Chance erhalten kann oder als gescheitertes Beispiel für die Risiken von Fintech-Investments in Erinnerung bleibt. Für die Betroffenen ist die Zeit der Hoffnung jedenfalls vorerst vorbei.