Die britische Schriftstellerin Samantha Harvey hat mit ihrem fünften Roman „Orbital“ den renommierten Booker Prize 2024 für Belletristik errungen. Das Werk, das sich poetisch und prägnant mit dem Zustand der Erde und der Menschheit auseinandersetzt – betrachtet aus der Perspektive der Internationalen Raumstation –, wurde von den Preisrichtern als „wunderschön und wundersam“ beschrieben.
Im Verlauf eines einzigen Tages folgen die Leser den Erlebnissen von sechs Astronauten – je zwei aus den USA, Großbritannien, Italien und Japan sowie zwei russischen Kosmonauten –, die bei ihrer Umrundung der Erde über die Dramen des täglichen Lebens auf dem „geduldigen Planeten“ reflektieren, während sie ihrer Arbeit nachgehen. Der Vorsitzende der Jury, Edmund de Waal, bemerkte, dass Harvey mit ihrer einzigartigen Sprache die Welt auf faszinierende Weise neu erschafft und die Schönheit der Erde aufzeigt, die oft durch Grenzstreitigkeiten und Zeitzonen verborgen bleibt.
Harvey, die bereits zuvor auf der Longlist für den Booker Prize stand, betrachtet „Orbital“ als einen realistischen Roman, der die menschliche Präsenz im niedrigen Erdorbit der letzten 25 Jahre thematisiert, fernab von Sci-Fi-Klischees. Die literarische Kritik lobte den ungewöhnlichen Stil: Die Financial Times betonte, das Buch bringe eine eindringliche Botschaft, ohne belehrend zu wirken und biete inmitten apokalyptischer Dystopien einen leuchtenden Kontrast, welcher die gefährdete Schönheit unseres blauen Planeten in den Vordergrund rücke.
Der Erfolg des Romans begann bereits vor der Preisverleihung mit beachtlichen Verkaufszahlen von 29.000 Exemplaren. „Orbital“ galt zusammen mit „James“ von Percival Everett, dem einzigen männlichen Nominierten auf der Shortlist, als Favorit. Beachtlich ist zudem, dass Harveys Werk mit 136 Seiten der zweikürzeste Roman ist, der je den Booker Prize gewann.
Die diesjährige Shortlist umfasste zudem Bücher von Rachel Kushner („Creation Lake“), Anne Michaels („Held“), Yael van der Wouden („The Safekeep“) und Charlotte Wood („Stone Yard Devotional“), die alle die Herausforderung ansprachen, eine zunehmend zerrissene Welt zu verstehen. De Waal betonte jedoch, dass „Orbital“ sich nicht in gängigen Programmatiken verfange. Harvey ist die erste britische Autorin, die seit Douglas Stuart 2020 mit „Shuggie Bain“ den Booker Prize gewann, und die erste Frau seit der Doppelauszeichnung von Bernardine Evaristo und Margaret Atwood im Jahr 2019.