Ein Visum für die visumfreie Schengen-Zone Europas zu erhalten, erweist sich oft als entblößende Erfahrung. Zahlreiche Antragsteller aus Städten wie Bangalore und Mumbai berichten von einer entkräftenden Bürokratie, die selbst erfahrenste Reisende an ihre Grenzen bringt. Um Europa zu besuchen, müssen Touristen und Geschäftsreisende Berge von Dokumenten vorlegen – einschließlich Formulare, Kontoauszüge, Gehaltsabrechnungen und Steuererklärungen. Und selbst nach erfolgreicher Beantragung deckt das Visum oft nur die Dauer der Reise ab, was bei wiederholtem Besuch den gesamten aufwendigen Prozess von vorne beginnen lässt.
Bürger wohlhabender Länder benötigen für Kurzaufenthalte in den meisten Teilen der Welt kein Visum, während dies für Menschen aus vielen Entwicklungsländern unumgänglich ist. Insbesondere Inder haben mit hohen Gebühren, langen Wartezeiten und weiteren Hürden zu kämpfen, was das Reisen erschwert.
Einige private Firmen profitieren von dieser Situation. Outsourcing-Unternehmen wickeln mittlerweile 40% der Visa-Anträge im Auftrag der Regierungen ab. Während Konsulate weiterhin die endgültigen Entscheidungen treffen, übernehmen diese Dienstleister die Prüfung der Unterlagen und die Erfassung biometrischer Daten. Drei Firmen – Global, Contact und International – dominieren über 70% des Markts, wobei allein ein Unternehmen die Hälfte des Marktanteils hält. In den letzten Jahren stieg die Anzahl der von diesen Firmen bearbeiteten Anträge rapide an. Singapurs Staatsfonds Temasek erwarb im Oktober einen Anteil an einem dieser Firmen und bewertete es auf 7 Milliarden US-Dollar.
Mit dem Anstieg des verfügbaren Einkommens in Entwicklungsländern und der Erholung des Reisemarkts nach der Pandemie wird weiteres Wachstum erwartet. Die Nuvama Group prognostiziert, dass die Visa-Outsourcing-Branche jährlich um mehr als 9% wachsen wird und bis 2030 die Marke von 5 Milliarden US-Dollar übersteigt. Regierungen profitieren finanziell von Visa-Anträgen; die Europäische Union erzielte 2023 über 900 Millionen US-Dollar an Visa-Gebühren.
Für Reisende gestaltet sich der Visumantrag jedoch schwieriger. Zwischen 2013 und 2023 stieg die Ablehnungsrate der Schengen-Visa von etwa 5% auf 16%. Auch die USA machen es nicht leichter; in Mumbai dauert ein Visumstermin etwa 14 Monate, in Bangkok sechs Monate.
Die Visakosten sind ebenfalls hoch. Eine Studie des Europäischen Hochschulinstituts zeigt, dass Bürger ärmerer Länder weit mehr für Visa zahlen als Bürger reicher Länder. Die Standardgebühren für ein Schengen-Visum belaufen sich auf 95 US-Dollar, für ein britisches Visum auf 151 US-Dollar und für ein amerikanisches auf 185 US-Dollar. Besonders für Vielflieger summieren sich diese Kosten.
Zusätzlich fallen Servicegebühren für die Outsourcing-Firmen an. Inder zahlen beispielsweise 23 US-Dollar zusätzlich für ein Schengen-Visum. Weitere optionale Services, wie eine komfortablere Bearbeitung in Lounges oder eine Abgabe außerhalb der regulären Zeiten, erhöhen die Gesamtkosten. Internationale Unternehmen aus Indien erzielen beträchtliche Gewinne durch solche Zusatzdienste.
Regierungen verteidigen das Outsourcing mit der Entlastung der Konsulate. Forscherin Federica Infantino argumentiert, dass die Vermittlerfunktion bei heiklen Visaabläufen von Vorteil sein kann. Restriktive Grenzpolitiken haben jedoch auch einen wirtschaftlichen Nachteil. Touristen aus Ländern wie Indien und China zählen zu den größten Geldgebern, und Visa-Beschränkungen reduzieren nachweislich den bilateralen Handel, während eine Erleichterung den gegenteiligen Effekt hätte.