Der anhaltende politische Sturm in Kanada hat seinen Höhepunkt erreicht, als Premierminister Justin Trudeau jüngst seinen Rücktritt verkündete. Drei erfolgreiche Wahlsiege seit 2015 stehen auf seiner Bilanz, doch der Druck der unzufriedenen Basis, die zunehmend populistischen Strömungen zugeneigt ist, wurde zuletzt zu groß. Streitpunkte wie Inflation, Wohnungspreise und die Herausforderungen durch hohe Zuwanderung haben dem Image der Liberalen schwer zugesetzt. Ein bevorstehender Wahlkampf verspricht turbulent zu werden, gespickt mit Trudeaus umstrittenem Erbe und drohenden wirtschaftlichen Konflikten.
Trudeaus Zerfall als Gallionsfigur der Liberalen entsprang seiner Unfähigkeit, den Bedürfnissen der Wähler zeitnah gerecht zu werden, die den Wandel hin zu greifbaren Lösungen forderten. Diese Entwicklung bietet den Konservativen unter Pierre Poilievre eine Gelegenheit, ihre politische Dominanz auszuweiten. Die Rhetorik der Opposition hat sich zugespitzt: Auch der frisch gewählte US-Präsident Donald Trump übt seinen Einfluss aus und säte jüngst Zweifel an Kanadas Souveränität.
Trotz des gesunkenen Rückhalts innerhalb der Bevölkerung gibt es keinen Mangel an Ambitionen unter potenziellen Nachfolgern Trudeaus. Mark Carney, ehemaliger Chef der Bank of England, steht bereit, falls die Partei einen neuen Kurs einschlagen will. Chrystia Freeland, deren Abgang als Finanzministerin die jüngste Krise ausgelöst hat, wird ebenfalls als mögliche Kandidatin gehandelt. Dominic Leblanc genießt Rückhalt innerhalb der Partei als aktueller Finanzminister und bringt eigene Ambitionen mit.
Der neue Anführer der Liberalen wird sich rasch gegen die Verschärfung der Handelsbeziehungen mit den USA wappnen müssen, während parallel ein Kampf um Kanadas Selbstverständnis tobt. Diese Wahl könnte nicht nur über die Zukunft einer Partei entscheiden, sondern den weiteren Kurs der Nation prägen.