Noch im Sommer waren sie überall präsent: die türkisfarbenen E-Scooter des deutschen Anbieters Tier. Doch die Tage der Marke sind gezählt. Nach der Fusion mit dem niederländisch-französischen Wettbewerber Dott im Januar dieses Jahres wird Tier aus dem Stadtbild verschwinden.
Ab Mitte Oktober beginnt die Umstellung: Die Tier-Scooter erhalten ein neues Design im Stil von Dott, und auch die Tier-App wird abgeschaltet. Künftig müssen Nutzer auf die Plattform von Dott wechseln, um ihre Fahrten zu buchen.
„Wir haben viele Kunden befragt und festgestellt, dass die Markenbekanntheit von Dott in den 21 Ländern, in denen wir aktiv sind, deutlich stärker ist“, erklärt Philipp Haas, Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und die Schweiz, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Zwar sei Tier in Deutschland bekannter, doch die Marke spiele für die Nutzer nicht die entscheidende Rolle. „Wichtiger sind Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Fahrzeuge“, so Haas weiter.
Strategischer Schritt: Dott setzt auf Vereinheitlichung
Mit der Entscheidung, die Marke Tier einzustampfen, verfolgt Dott eine klare Strategie. Durch die Fusion der beiden Anbieter soll ein einheitliches Produktportfolio entstehen, das den Markenauftritt stärkt und gleichzeitig die operative Effizienz steigert.
Dott ist besonders in den Benelux-Staaten und Frankreich stark vertreten, während Tier vor allem im deutschsprachigen Raum Marktanteile gewonnen hatte. Durch die Fusion ergänzen sich die beiden Unternehmen nun geografisch und setzen gemeinsam auf eine schlankere Struktur.
Neben E-Scootern gehören auch E-Fahrräder zum Angebot. Vom klassischen Leihradgeschäft hat sich Tier allerdings schon im Zuge der Übernahme getrennt. Auch die E-Mopeds, die einst Teil des Portfolios waren, sind bereits seit Längerem nicht mehr verfügbar.
Harter Wettbewerb und Fokus auf Profitabilität
Der E-Scooter-Markt hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Nach einer Phase schnellen Wachstums und steigender Popularität in europäischen Großstädten hat die Branche inzwischen den Fokus auf Kosteneffizienz und Profitabilität gelegt. Das Wettrennen um Marktanteile hat vielen Anbietern Verluste eingebracht, was den Druck zur Konsolidierung erhöht hat.
Die Fusion von Tier und Dott ist ein Zeichen dieser Entwicklung. Philipp Haas rechnet jedoch damit, dass dies nicht der letzte Zusammenschluss in der Branche sein wird.
„Wir gehen davon aus, dass weitere Fusionen folgen werden, auch wenn wir uns daran nicht beteiligen werden“, betont er.
Der Markt bleibt hart umkämpft, und Anbieter müssen sich auf ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld einstellen.
Dott verfolgt dabei das Ziel, noch in diesem Jahr vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) schwarze Zahlen zu schreiben – ein Meilenstein, der in einer Branche, die lange von hohen Investitionen und geringen Margen geprägt war, nicht selbstverständlich ist.
Lesen Sie auch:
Was bedeutet das für die Kunden?
Für die Nutzer von Tier bedeutet die Umstellung, dass sie in Zukunft die Dott-App nutzen müssen, um Fahrten zu buchen. „Für die Kunden ändert sich im Wesentlichen nichts“, versichert Haas.
Die Umstellung auf die Dott-Plattform werde „reibungslos“ verlaufen, und auch die Scooter selbst bleiben, abgesehen von der neuen Lackierung, dieselben. Allerdings müssen sich die deutschen Nutzer an das neue Branding gewöhnen – ein Übergang, der in den kommenden Wochen schrittweise vollzogen werden soll.
Die Umstellung markiert das Ende einer Ära für die Marke Tier, die seit ihrer Gründung 2018 einen rasanten Aufstieg hingelegt hatte. Mit dem türkisfarbenen Branding und einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und Stadtmobilität hat das Unternehmen eine Vorreiterrolle im europäischen E-Scooter-Markt eingenommen. Nun wird die Marke Teil der Konsolidierung, die in der Branche unumgänglich geworden ist.