19. Oktober, 2024

Tourism

Habecks Tourismusstrategie: Viel Gerede, wenig Neues?

Die Nationale Tourismusstrategie verspricht große Pläne, doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Vieles, was als Fortschritt verkauft wird, existiert bereits seit Jahren.

Habecks Tourismusstrategie: Viel Gerede, wenig Neues?
Die Nationale Tourismusstrategie feiert Projekte wie die „Qualitätsoffensive Wandern“, die bereits seit 20 Jahren existiert. Kritiker fragen sich, wo die echten Innovationen bleiben.

Es klang vielversprechend: Eine neue Nationale Tourismusstrategie, entwickelt von über 130 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, soll die deutsche Tourismusbranche fit für die Zukunft machen.

In einer Branche, die 124 Milliarden Euro zur deutschen Wirtschaftsleistung beiträgt und 4,1 Millionen Menschen beschäftigt, könnte das eine richtungsweisende Entscheidung sein. Doch beim Blick in das 55-seitige Papier wird schnell klar: Viel Neues gibt es hier nicht.

Statt bahnbrechender Innovationen oder neuer Impulse präsentiert die „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ (NPZT) vor allem Altbekanntes. Projekte, die bereits seit Jahren – in einigen Fällen sogar seit Jahrzehnten – laufen, werden kurzerhand als Errungenschaften der neuen Strategie verkauft.

Nationale Plattform Zukunft des Tourismus
Als zentrales Instrument der Nationalen Tourismusstrategie zielt die Nationale Plattform Zukunft des Tourismus darauf ab, die Tourismuspolitik besser zu koordinieren, um den Tourismusstandort Deutschland zukunftsfähig und krisenfest auszugestalten.

Die „Qualitätsoffensive Wandern“, die bereits vor 20 Jahren gestartet wurde, ist nun Teil der Tourismusstrategie. Ein weiteres Beispiel: Die Aufwertung des Prädikats „Kurort“ zu einem Nachhaltigkeitslabel – ein Vorhaben, das die sächsische Landesregierung schon vor längerer Zeit initiiert hat.

Fragwürdiger Mehrwert

Das große Problem: Viele der vermeintlichen Neuerungen haben wenig bis gar nichts mit einer nationalen Strategie zu tun. Die Tourismusbranche ist stark von föderalen und regionalen Initiativen geprägt.

Trotz bestehender europäischer Emissionsregelungen plant die deutsche Reisewirtschaft ein „Treibhausgasinventar“. Der Mehrwert bleibt fraglich, die bürokratische Belastung für die Branche steigt.

Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) und der Deutsche Tourismusverband (DTV) arbeiten seit Jahrzehnten daran, die touristischen Interessen Deutschlands zu vertreten und zu vermarkten. Ein zusätzlicher, staatlich gelenkter Akteur scheint hier überflüssig.

Ein besonders fragwürdiges Beispiel ist das Projekt „FreiGast“, das klimaschonende Rezepte für Urlauber entwickeln sollte. Die Gelder für das Projekt wurden bereits gestrichen, doch es taucht trotzdem weiterhin in der „Nationalen Tourismusstrategie“ auf. Selbst tote Projekte werden hier als Erfolg verkauft.

Klimaneutralität als leere Hülle

Ein weiteres zentrales Thema der Strategie ist die Klimaneutralität. Die deutsche Reisewirtschaft will ein „Treibhausgasinventar“ entwickeln, um die CO₂-Emissionen zu senken. Doch der Effekt solcher Maßnahmen bleibt fraglich. Der CO₂-Ausstoß von Reisebussen, Hotels und Flugzeugen unterliegt bereits strengen europäischen Emissionsregelungen.

Jede zusätzliche nationale Maßnahme verändert nichts an den Emissionen in Europa, da sie lediglich eine Verschiebung im Zertifikatesystem bewirken könnte.

Der Plan, einen „Deutschen Klimafonds Tourismus“ zu gründen, wirkt vor diesem Hintergrund wenig durchdacht. Trotz der hohen Regulierung innerhalb der EU drängt die Tourismusbranche sich selbst als Ziel von weiteren Klima-Maßnahmen auf. Der Mehrwert solcher Projekte ist fraglich – die Belastungen für die Branche jedoch sehr real.

Digitalisierung – der ewige Dauerbrenner

Auch beim Thema Digitalisierung kann die Nationale Tourismusstrategie wenig Neues bieten. Bereits existierende Projekte, wie die Datenbank „Knowledge Graph“ der DZT oder das Digitalprogramm „DIANA-T“, werden jetzt als Teil der Strategie präsentiert. Wirklich neue Ansätze zur Modernisierung der Branche sucht man vergeblich.


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Gleichzeitig kämpft die Branche mit realen Problemen, die im Papier kaum Beachtung finden: die abwandernden Airlines, die hohen Kosten durch die Luftverkehrssteuer und unpünktliche Züge. Statt konkrete Lösungen für diese Herausforderungen zu bieten, werden bereits laufende Projekte als neue Errungenschaften verkauft.

Fachkräftemangel: Alles schon da

Auch der Fachkräftemangel bleibt ein Dauerthema der Branche. Der Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sucht bereits aktiv in Ländern wie Bangladesch nach neuen Arbeitskräften. Doch auch hier liefert die Strategie keine wirklichen Innovationen. Die Bundesregierung verweist auf bereits bestehende Programme wie „Neue Qualität der Arbeit“ (INQA), die seit über 20 Jahren existieren. Dass diese Initiative nun in die Tourismusstrategie aufgenommen wird, zeigt, wie wenig neues Gedankengut hier tatsächlich eingeflossen ist.

Viel Lärm um nichts?

Die Nationale Tourismusstrategie erschöpft sich weitgehend in der Vernetzung bereits bestehender Initiativen. Während die deutsche Tourismusbranche weiterhin mit echten Herausforderungen kämpft – von steigenden Betriebskosten bis hin zur mangelnden Digitalisierung in ländlichen Regionen – bleibt die Strategie in Allgemeinplätzen stecken.

Die Tourismusbranche zeigt auch ohne staatliche Steuerung ihre Stärke, wie die Rekordzahlen der Übernachtungen im vergangenen Jahr belegen. Es bleibt fraglich, ob eine staatliche Intervention wirklich notwendig ist oder ob sie nur zusätzliche Bürokratie schafft.