Wirtschaftsminister Robert Habeck geht in die Offensive: Die Grünen präsentieren ihr Wahlprogramm als Entwurf für eine sozial gerechtere Steuerpolitik. Während die Union Kürzungen und Wachstum anpreist, setzt Habeck auf Schulden und höhere Investitionen.
Doch wie finanzierbar sind die 53 Milliarden Euro an Entlastungen wirklich? Und was bedeutet das für die deutsche Finanzpolitik?
Große Zahlen, wenig Substanz
Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) umfassen die Steuerversprechen der Grünen ein jährliches Entlastungsvolumen von 53 Milliarden Euro. Vorgesehen sind unter anderem:
- Grundfreibetrag erhöhen: Entlastung für alle Einkommen
- Klimageld: Direkte Rückzahlungen an Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen (12 Milliarden Euro)
- Arbeitnehmerpauschbetrag: Erhöhung auf 1.500 Euro
- Investitionsprämie: 20 Milliarden Euro jährlich für Unternehmen
Die Finanzierung bleibt jedoch vage. Vorschläge wie eine verschärfte Erbschaftsteuer und eine Sondersteuer für Milliardäre bringen laut IW gerade einmal fünf Milliarden Euro ein. Eine Finanzierungslücke von 48 Milliarden Euro klafft also im Programm.
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Investitionen aus der Schuldenbremse herauslösen
Um die Kluft zu schließen, setzen die Grünen auf einen umstrittenen Ansatz: Investitionen sollen künftig nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen. „Wir müssen investieren, um die Wirtschaft zu stärken – Schulden sind kein Tabu“, erklärte Habeck bei der Vorstellung des Programms.
Diese Strategie würde es ermöglichen, Investitionen aus dem Kernhaushalt auszulagern und so die Verschuldung zu erhöhen, ohne die Schuldenbremse direkt zu verletzen.
Kritik an diesem Ansatz lässt nicht auf sich warten. Gegner sehen darin eine Gefährdung der fiskalischen Stabilität Deutschlands. Die Union wirft den Grünen vor, das Land in die Schuldenfalle zu treiben.
„Es ist unverantwortlich, Entlastungen zu versprechen, ohne zu sagen, wer dafür zahlen soll“, konterte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.
Sozial gerecht – aber wie lange?
Ein zentraler Fokus des Grünen-Programms liegt auf sozialer Gerechtigkeit. Das Klimageld und die Anhebung des Grundfreibetrags sollen vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen entlasten. Gleichzeitig profitieren Unternehmen von einer Investitionsprämie und niedrigeren Stromsteuern.
Doch während sich die Grünen auf den sozialen Aspekt konzentrieren, bleibt die Frage nach der langfristigen Belastung offen. „Ein solches Programm wird künftige Generationen mit einer enormen Schuldenlast belasten“, warnt IW-Steuerexperte Martin Beznoska.
Ein historischer Wandel in der Steuerpolitik
Vergleicht man das aktuelle Programm mit dem der Bundestagswahl 2021, wird ein Wandel in der Steuerpolitik der Grünen deutlich. Vor drei Jahren planten sie Steuerentlastungen von nur sechs Milliarden Euro jährlich – heute sind es fast zehnmal so viel.
Dieser Richtungswechsel könnte als Reaktion auf die steigende Bedeutung des internationalen Wettbewerbs verstanden werden. Hohe Abgaben gelten zunehmend als Standortnachteil, den selbst die Grünen nicht mehr ignorieren können.