Grüne setzen auf Öffnung statt Abschottung
Vier Wochen vor der Bundestagswahl zieht die Migrationsdebatte erneut die Aufmerksamkeit auf sich. Während Unionsparteien für eine restriktivere Asylpolitik plädieren, haben sich die Grünen auf ihrem Bundesparteitag für eine deutliche Öffnung ausgesprochen.
Besonders im Fokus: die Erleichterung des Familiennachzugs für Migranten und eine grundsätzlich humanere Gestaltung der Abschiebepraxis.
Im Zentrum der Forderungen steht die Abschaffung existierender Einschränkungen beim Familiennachzug. Laut den Grünen sei es ein grundlegendes Menschenrecht, dass Familien zusammenleben dürfen – eine Maßnahme, die ihrer Ansicht nach auch die Integration erleichtern soll.
Kritiker befürchten hingegen, dass dies die Zahl der Asylanträge in die Höhe treiben könnte.
Doch nicht nur in Bezug auf den Familiennachzug stellen sich die Grünen gegen eine Verschärfung der Migrationspolitik. Sie lehnen zudem die von der Union geforderte Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze ab.
„Das Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall“, heißt es im Wahlprogramm der Partei – ein klares Zeichen gegen eine striktere Grenzpolitik.
Widerstand gegen Drittstaatenlösung
Ein weiteres kontroverses Thema ist der Umgang mit Abschiebungen. Während etwa Dänemark und Großbritannien bereits Asylverfahren in Drittstaaten verlagern – also Asylsuchende außerhalb Europas unterbringen –, sprechen sich die Grünen strikt gegen dieses Modell aus.
Stattdessen setzen sie auf eine europäische Lösung, die auf Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und eine faire Verteilung der Schutzsuchenden setzt.
Zudem fordern sie, dass Abschiebungen nicht forciert, sondern möglichst über freiwillige Rückkehrprogramme abgewickelt werden. Damit steht die Partei im Kontrast zu Forderungen nach strengeren Abschieberegeln, die insbesondere nach der Bluttat in Aschaffenburg lauter wurden.
Der Fall, in dem ein ausreisepflichtiger Afghane zwei Menschen, darunter ein Kleinkind, tötete, hat die Debatte um Migration und Sicherheit weiter verschärft.
Die Grünen halten jedoch an ihrer Linie fest: Sie sehen in restriktiveren Maßnahmen keinen Lösungsansatz, sondern setzen auf langfristige Integrationskonzepte und einen besseren Schutz humanitärer Hilfe.
Seenotrettung schützen statt gegen Schleuser vorgehen?
Ein weiterer Kernpunkt im Wahlprogramm ist der Schutz privater Seenotretter. Während konservative Parteien härter gegen Schleuser vorgehen und die Aktivitäten privater Rettungsschiffe regulieren wollen, plädieren die Grünen dafür, Seenotrettung als humanitäre Pflicht zu betrachten.
„Jede Kriminalisierung der Seenotrettung muss aufhören“, heißt es im Programm.
Während Menschenrechtsorganisationen diese Haltung begrüßen, kritisieren Gegner, dass dies eine unkontrollierte Migration nach Europa begünstige. Besonders in Italien und Griechenland werden seit Jahren Forderungen nach einem effizienteren EU-Grenzschutz laut, da sich viele Staaten mit der hohen Zahl an Neuankömmlingen überfordert sehen.
Auch innerhalb Deutschlands könnte diese Forderung für Zündstoff sorgen: Während große Städte wie Berlin oder Hamburg mit eigenen Aufnahmeprogrammen für Geflüchtete bereits einen progressiven Kurs fahren, gibt es insbesondere in kleineren Kommunen erhebliche Widerstände gegen eine verstärkte Migration.
Politische Reaktionen: Scharfe Kritik aus der Opposition
Die Unionsparteien reagierten mit deutlicher Ablehnung auf die grünen Forderungen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete die Migrationspolitik der Grünen als „realitätsfern“ und warf der Partei vor, keine Antworten auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes und der Wohnraumknappheit zu haben.
Auch die FDP äußerte sich skeptisch. „Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen humanitärer Verantwortung und den Kapazitäten des Staates finden“, erklärte ein Sprecher der Partei. Eine Erleichterung des Familiennachzugs und ein Abschiebestopp könnten ihrer Ansicht nach zu einer zusätzlichen Belastung der Sozialsysteme führen.
Gleichzeitig sorgt das Thema Migration auch innerhalb der Wählerschaft für Unruhe. Laut einer aktuellen Umfrage halten mittlerweile 36 Prozent der Deutschen Migration für das drängendste Problem – ein Anstieg von 23 Prozent in der Vorwoche. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern, wo die AfD bereits in mehreren Regionen stärkste Kraft ist, könnte die aktuelle Debatte das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen.
Das könnte Sie auch interessieren: