09. Januar, 2025

Immobilien

Grundsteuer explodiert: Was die neue Regelung für Eigentümer und Mieter bedeutet

Trotz des Versprechens einer aufkommensneutralen Reform sehen sich viele Deutsche mit massiven Grundsteuererhöhungen konfrontiert. Die Folgen treffen Eigentümer, Mieter – und das Vertrauen in die Politik.

Grundsteuer explodiert: Was die neue Regelung für Eigentümer und Mieter bedeutet
Ein Berliner Strandbad meldet eine Erhöhung der Grundsteuer um mehr als 4.800 %, von 770 Euro auf fast 37.000 Euro jährlich – ein drastisches Beispiel der neuen Bewertungsmaßstäbe.

Die Grundsteuerreform, die am 1. Januar 2025 in Kraft trat, sollte laut früheren Versprechen des damaligen Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD) aufkommensneutral umgesetzt werden.

Doch aktuelle Fälle und erste Berechnungen zeigen ein anderes Bild: Viele Eigentümer und Mieter müssen mit deutlichen Steuererhöhungen rechnen. Die Reform, die eine Neuberechnung von 36 Millionen Grundstücken und Gebäuden in Deutschland notwendig machte, sorgt für hitzige Diskussionen und zahlreiche Einsprüche.

Extreme Belastungen in Einzelfällen

Einige der neuen Steuerbescheide verdeutlichen die drastischen Auswirkungen:

  • Ein Berliner Strandbadbetreiber meldete eine Steuererhöhung von 770 Euro auf knapp 37.000 Euro pro Jahr – eine Steigerung um mehr als 4.800 %.
  • Ein Künstlerverein in Berlin soll künftig 27.000 Euro jährlich zahlen, während die frühere Grundsteuer bei wenigen Tausend Euro lag.

„Das sind Extremfälle“, räumt Sibylle Barent, Steuerexpertin beim Verband „Haus & Grund“, ein. „Aber auch im Wohnbereich sehen wir teilweise Erhöhungen von 200 bis 300 Prozent.“

Hebesätze und Bodenwerte als Belastungstreiber

Die Grundsteuer setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem Einheitswert (nun durch aktualisierte Bewertungsmaßstäbe ersetzt), einer Steuermesszahl und dem Hebesatz, der von den Kommunen festgelegt wird. Besonders die zuletzt stark gestiegenen Bodenrichtwerte und die Hebesätze treiben die Kosten in die Höhe:

  • In Berlin, wo der Hebesatz kürzlich von 810 % auf 470 % gesenkt wurde, steigen die Steuern dennoch für viele, da die Bodenpreise in begehrten Innenstadtlagen deutlich angezogen haben.
  • In anderen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen, liegt der Fokus auf „aufkommensneutralen“ Hebesätzen, die jedoch ebenfalls nicht alle Belastungen gleichmäßig verteilen.

Laut einer Studie des Bundes der Steuerzahler haben einige Kommunen im Vorfeld der Reform ihre Hebesätze angehoben, was das Aufkommen zusätzlich steigert.

Belastung für Mieter wächst

Die Grundsteuer ist eine der wenigen kommunalen Steuern, die direkt auf Mieter umgelegt wird – und damit die Nebenkosten belastet. Besonders betroffen sind Haushalte in ohnehin teuren Stadtlagen.

Da die Grundsteuer über die Nebenkosten umgelegt wird, tragen Mieter in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin und München die steigende Last direkt mit.

„Die neue Bewertungsmethode führt zu einer stärkeren Spreizung zwischen Stadt und Land“, erklärt Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg. „In Kernstädten mit hohen Bodenwerten steigen die Steuerlasten erheblich, während ländliche Regionen oft profitieren.“

Verzögerte Bescheide und Einsprüche

Während einige Finanzämter, wie in Berlin, die neuen Bescheide bereits verschicken, haben zwei Drittel der Eigentümer in Deutschland laut einer Auswertung von „Haus & Grund“ noch keine Benachrichtigung erhalten. Die Kommunen haben bis zum 30. Juni 2025 Zeit, ihre Hebesätze festzulegen und Bescheide zu verschicken.


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„Viele Finanzämter ächzen unter der Flut an Erklärungen und Einsprüchen“, sagt Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler. Diese Verzögerungen sorgen für Unsicherheit, da Zahlungen oft rückwirkend fällig werden könnten.

Aufkommensneutralität in Frage gestellt

Die Reform wurde 2019 unter Olaf Scholz als Maßnahme zur Modernisierung und faireren Verteilung der Steuerlast eingeführt. Doch die Umsetzung der Reform liegt in den Händen der Kommunen. Dies führt in der Praxis zu deutlichen Unterschieden:

  • Laut einer Prognose des Bundesfinanzministeriums sollten die Gesamtsteuereinnahmen stabil bleiben.
  • Erste Auswertungen zeigen jedoch, dass Städte mit finanziellen Engpässen die Hebesätze anpassen und somit die Steuerlast für Bürger erhöhen.