Ein Erfolg, der Deutschland alt aussehen lässt
Großbritannien hat Deutschland als führenden Markt für Elektroautos in Europa abgelöst. 381.970 batteriebetriebene Fahrzeuge wurden 2024 auf der Insel neu zugelassen – ein Plus von 21 Prozent.
Im gleichen Zeitraum erlebte Deutschland einen historischen Einbruch: Die Zulassungen sanken um 27,4 Prozent auf 380.609 Fahrzeuge.
Der Unterschied? Eine konsequente politische Strategie, die E-Mobilität nicht den Launen des Marktes überlässt.
„Das vergangene Jahr war für die deutsche Elektromobilität ein verlorenes Jahr“, sagt Constantin Gall von der Unternehmensberatung EY.
Das ZEV-Mandat: Großbritanniens Erfolgsrezept
Anstatt die Verbraucher mit Kaufprämien zu locken, setzt Großbritannien bei den Herstellern an. Seit 2024 gilt das sogenannte Zero Emission Vehicle (ZEV) Mandat: Autobauer müssen einen Mindestanteil ihrer Verkäufe mit Elektroautos erzielen – im vergangenen Jahr lag die Schwelle bei 22 Prozent, 2025 steigt sie auf 28 Prozent. Verfehlen sie die Ziele, drohen empfindliche Strafen von bis zu 18.000 Euro pro überschüssigem Verbrenner.
„Das ZEV-Mandat hat die Spielregeln geändert“, sagt Colin Walker von der Denkfabrik Energy and Climate Intelligence Unit. „Es zwingt die Hersteller, sich schneller auf die Zukunft einzustellen.“
Hersteller unter Druck – und in Bewegung
Der strikte Kurs zeigt Wirkung: Jeder fünfte Neuwagen in Großbritannien ist inzwischen ein Elektroauto. Modelle wie das Tesla Model Y, der Audi Q4 e-tron und der BMW i4 führen die Verkaufscharts an.
Gleichzeitig bleibt der Druck hoch. Obwohl die Verkaufszahlen Rekorde brechen, verfehlte die Branche die vorgegebene Quote knapp.
„Wenn ein Ziel gesetzt ist und nicht erreicht wird, gilt das als Scheitern“, räumt Mike Hawes, Geschäftsführer des britischen Branchenverbands SMMT, ein. Doch die Hersteller ziehen nach.
BMW, Mercedes und Hyundai etwa haben ihre Verkaufszahlen bereits über die geforderten Werte hinaus gesteigert – ein Beweis, dass ambitionierte Vorgaben machbar sind.
Deutschland: Verunsicherung statt Aufbruch
In Deutschland hingegen herrscht Unsicherheit. Nachdem die Regierung 2023 die staatlichen Prämien für E-Autos gestrichen hat, brach die Nachfrage ein. „Es fehlt an einer klaren Vision“, kritisiert Gall.
Während Großbritannien ambitionierte Ziele setzt, bleibt Deutschland im Unklaren darüber, wie die Verkehrswende vorangetrieben werden soll.
Milliardeninvestitionen und Preisnachlässe
Die britische Erfolgsgeschichte hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Laut SMMT summierten sich die Preisnachlässe der Hersteller auf rund 4,5 Milliarden Pfund im Jahr 2024.
„Das ist auf Dauer nicht tragbar“, warnt Hawes. Doch ohne diese Anreize wäre das Wachstum wohl weit weniger beeindruckend ausgefallen.
Lehren für Europa
Die britische Strategie ist nicht unumstritten, doch sie liefert Ergebnisse. Während in der EU weiter diskutiert wird, wie der Markt für E-Autos belebt werden kann, schafft Großbritannien Fakten.
Der ambitionierte Plan, ab 2030 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen, könnte zum Vorbild für andere Länder werden.
„Klare Vorgaben schaffen Investitionssicherheit“, sagt Ben Nelmes, Chef der Analysefirma New Automotive. „Das zieht moderne Hersteller an und bringt Innovationen ins Land.“
Norwegen als leuchtendes Beispiel
Wie schnell politischer Wille einen Markt verändern kann, zeigt Norwegen. Mit 89 Prozent Elektroanteil bei Neuzulassungen ist das skandinavische Land führend.
Großzügige Förderungen und klare Zielvorgaben haben den Markt in nur 15 Jahren komplett umgekrempelt. Ab 2025 sollen alle Neuwagen emissionsfrei sein – ein Ziel, das Großbritannien ebenfalls anstrebt.
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