Ein paar Zahlen, ein bisschen Panik und die Realität
Wer in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt hat, könnte meinen, an Deutschlands Grenzen herrscht Chaos. Stau, Verwirrung, lange Wartezeiten – so die Befürchtung.
Doch jetzt zeigt sich: Das war wohl ein bisschen übertrieben. TomTom, der Navigationsanbieter, hat die Daten ausgewertet, und Überraschung: Der Verkehr rollt. Die ganz großen Probleme? Fehlanzeige.
Langsamer, aber kein Drama
Die Kontrollen, die seit Mitte September an einigen westlichen Grenzübergängen eingeführt wurden, sorgen tatsächlich nur für minimale Verzögerungen. Die durchschnittliche Geschwindigkeit des Grenzverkehrs hat sich auf knapp 86 km/h verlangsamt.
Im Vergleich: Vor einem Jahr lag sie bei 94 km/h. Kein Grund also, in Panik zu geraten. Besonders an den meisten Übergängen – ob A44 bei Aachen oder A64 Richtung Luxemburg – läuft alles, na ja, fast wie immer.
Keine Staus, aber viele Unsicherheiten
Und doch bleibt ein ungutes Gefühl bei vielen Unternehmen. Die Logistikbranche etwa befürchtet langfristige Auswirkungen, wenn sich die Kontrollen ausweiten. Auch Ökonomen wie Gabriel Felbermayr warnen:
„Sollten die Kontrollen bleiben, wird das für den europäischen Handel spürbar.“
So könnte allein Deutschland 0,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verlieren. Klingt erstmal nicht viel, aber in einem Jahr, in dem jedes Zehntel zählt, kann das wehtun.
Logistik im Alarmzustand
Für Logistiker ist klar: Die Rückkehr zu Grenzkontrollen im Schengen-Raum fühlt sich wie ein Rückschritt an. „Wir sind alarmiert“, sagt Julius Köhler von der Berliner Spedition Sennder.
Und er ist nicht allein. Auch andere große Player der Branche blicken sorgenvoll auf die Entwicklungen. Die Zeit wird zeigen, ob sich diese Kontrollen zu einem Dauerzustand entwickeln – und welche Konsequenzen das für den europäischen Binnenmarkt hat.
Kleine Verzögerungen, große Debatten
Dass die Kontrollen nicht spurlos an der Wirtschaft vorbeigehen, steht fest. Doch in den Benelux-Ländern herrscht weitgehend Gelassenheit. Belgier, Niederländer und Franzosen haben sich offenbar mit der deutschen Vorsicht arrangiert.
Von Den Haag bis Brüssel zeigen sich die Regierungen verständnisvoll. Gleichzeitig warnen Experten wie Hendrik Vos von der Uni Gent: „Zu viele Kontrollen könnte sich Europa einfach nicht leisten. Wir sind voneinander abhängig.“
Alles eine Frage der Balance?
Natürlich gibt es auch eine Gegenrechnung. Denn die Grenzkontrollen sollen nicht nur den Verkehr verlangsamen, sondern vor allem Migration steuern und die Sicherheit erhöhen. Felbermayr meint:
„Wenn die Kontrollen wirklich dazu führen, dass sich die Menschen sicherer fühlen, könnte das einen echten Mehrwert haben.“
Die Politik steht also vor einem Balanceakt: Sicherheitsbedenken gegen die wirtschaftlichen Folgen abzuwägen – keine leichte Aufgabe.
Keine Panik, aber im Auge behalten
Die Auswertung zeigt: Der Verkehr stockt nicht, aber die Unsicherheiten bleiben. Ob es bei den bisherigen Maßnahmen bleibt oder ob Europa wieder dauerhaft Grenzkontrollen einführt, wird sich zeigen.
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