Armenien ist ein Land, das in geopolitischen Spannungen oft übersehen wird. Doch seit Beginn der westlichen Sanktionen gegen Russland hat sich der Südkaukasus-Staat zu einem überraschenden Akteur auf der internationalen Goldbühne entwickelt.
Mit enormen Mengen an Goldexporten, die weit über die Größe seiner Volkswirtschaft hinausgehen, profitiert das Land von Russlands Suche nach neuen Handelswegen.
Ein Milliarden-Boom im Schatten der Sanktionen
Seit 2022 hat Armenien laut Zolldaten russisches Gold im Wert von über 6 Milliarden US-Dollar importiert. Zum Vergleich: Das gesamte Bruttoinlandsprodukt Armeniens betrug im Jahr 2023 lediglich 24,1 Milliarden US-Dollar.
Doch das Gold bleibt nicht im Land. Fast die gesamte Menge wird weiterexportiert, vor allem in die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch nach Hongkong und China.
„Armenien hat sich in kürzester Zeit zum Hauptknotenpunkt für den Transit russischen Goldes entwickelt“, erklärt Vladislav Inozemcev, Ökonom und Mitbegründer des Zentrums für Analysen und Strategien in Europa. Gold macht inzwischen mehr als die Hälfte der armenischen Exporte aus – eine außergewöhnliche Entwicklung für ein Land dieser Größe.
Sanktionen und ihre Umgehung
Der Boom ist direkt auf die westlichen Sanktionen zurückzuführen, die Russland seit 2022 vom internationalen Finanz- und Handelsmarkt weitgehend abgeschnitten haben.
Im Juni desselben Jahres verhängten die USA ein Embargo auf russisches Gold, gefolgt von einem Importstopp der EU und Großbritanniens. Diese Maßnahmen hatten zunächst den gewünschten Effekt: Russlands Goldexporte in westliche Länder brachen ein.
Doch wie so oft haben Sanktionen auch Wege eröffnet, sie zu umgehen. Armenien, das eng mit Russland wirtschaftlich verflochten ist, wurde zum Drehkreuz für diese Umgehungen.
Russisches Gold kann hier ohne Zölle exportiert werden, solange es innerhalb der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion bleibt oder von dort in andere Märkte gelangt.
Armenien im Fokus der Beobachter
Die internationale Aufmerksamkeit wächst, und Armenien gerät zunehmend ins Visier von Regulierungsbehörden. Gold, das als russisches Produkt sanktioniert ist, wird durch armenische Zwischenhändler in neue Märkte eingeschleust.
Dabei gibt es Hinweise darauf, dass einige Transaktionen in Bargeld oder Wertpapieren abgewickelt werden – ein klarer Versuch, drohende Sekundärsanktionen zu vermeiden.
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Ein hochrangiger Vertreter des armenischen Wirtschaftsministeriums erklärte kürzlich, man „beobachte die Situation“ genau. Doch Kritiker werfen der Regierung vor, sie profitiere stillschweigend von den Goldströmen, die die westlichen Sanktionen effektiv untergraben.
Der Boom mit Ablaufdatum?
Während Armeniens Volkswirtschaft kurzfristig von den russischen Goldexporten profitiert, könnte der Trend rückläufig sein. Der armenische Finanzminister Vahe Hovhannisyan deutete an, dass der Goldhandel bereits zurückgeht und sich dieser Trend im Jahr 2025 fortsetzen könnte.
Hinzu kommt, dass der jüngste wirtschaftliche Aufschwung Armeniens nicht nur auf Gold, sondern auch auf den Zuzug tausender russischer Emigranten nach Putins Mobilmachung 2022 zurückzuführen ist.
Diese Gruppe hat Konsum und Investitionen in Armenien angekurbelt, doch eine Rückkehr vieler Emigranten nach Russland oder eine Verschärfung internationaler Sanktionen könnten den Boom schnell beenden.