Was Olaf Scholz einst als „großen geschichtlichen Moment“ bezeichnete, ist Geschichte. Die globale Mindeststeuer, auf die sich 140 Staaten 2021 geeinigt hatten, wurde von US-Präsident Donald Trump mit einem Federstrich abgeschafft – zumindest in den Vereinigten Staaten.
Damit verliert das ehrgeizige Steuerprojekt, das weltweit Konzerne zur Zahlung fairer Steuern verpflichten sollte, seine tragende Säule.
Trump erklärte das Abkommen nach seinem Amtsantritt für unwirksam und unterzeichnete ein Memorandum, das amerikanischen Unternehmen eine Sonderstellung einräumt.
„Wir lassen uns nicht von internationalen Organisationen vorschreiben, wie wir unsere Wirtschaft gestalten“, so Trump in seiner Erklärung.
Das US-Finanzministerium wurde angewiesen, mögliche Gegenmaßnahmen gegen Länder zu prüfen, die Steuergesetze verabschieden, die amerikanische Unternehmen benachteiligen.
Ein globaler Plan scheitert an nationalen Interessen
Die Mindeststeuer sollte sicherstellen, dass Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro in jedem Land, in dem sie operieren, mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.
Dies sollte den „Steueroasen-Tourismus“ großer Konzerne wie Amazon und Google eindämmen und Ländern ermöglichen, verloren gegangene Einnahmen zurückzuholen. Schätzungen zufolge verlieren Regierungen weltweit jährlich etwa eine Billion Euro durch Steuerverlagerungen in Niedrigsteuergebiete.
Die Europäische Union hat die Mindeststeuer bereits 2023 umgesetzt, und auch Deutschland verabschiedete entsprechende Regelungen. Doch ohne die USA, wo viele der größten Digitalkonzerne ihren Sitz haben, verliert die Maßnahme an Wirkung.
Die fehlende Zustimmung des US-Kongresses unter Biden war bereits ein Stolperstein – Trumps Schritt markiert nun das faktische Ende der globalen Steuerkooperation.
Scholz Prestigeprojekt unter Beschuss
Für Kanzler Olaf Scholz, der als Finanzminister 2021 eine Schlüsselrolle bei der Einführung der Mindeststeuer spielte, ist Trumps Entscheidung ein herber Rückschlag. Scholz hatte das Projekt wiederholt als einen Beleg für seine wirtschaftspolitische Kompetenz dargestellt.
Nun steht er mit leeren Händen da, während in den USA bereits neue Steuermodelle für Unternehmen diskutiert werden.
Ironischerweise hatte Trump selbst in seiner ersten Amtszeit eine Mindeststeuer eingeführt, jedoch mit einem niedrigeren Satz von zehn Prozent. Doch für die internationale Koordination zeigt er wenig Interesse.
„Wir werden keine Regeln akzeptieren, die amerikanische Firmen schwächen“, erklärte Trump.
Digitalkonzerne wieder auf der Flucht?
Besonders betroffen von der Aufkündigung der Mindeststeuer sind die Regelungen zur Besteuerung von Digitalkonzernen. Bisher wurden Gewinne dort versteuert, wo ein Unternehmen seinen Sitz hat.
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Das Abkommen sah vor, dass die Besteuerungsrechte teilweise an die Länder übergehen, in denen die Umsätze generiert werden. Frankreich und andere EU-Länder hatten deshalb nationale Digitalsteuern eingeführt, um Einnahmen von Konzernen wie Google, Facebook und Amazon zu generieren. Diese nationalen Steuern sollten durch die globale Regelung ersetzt werden – ein Plan, der nun ins Wanken gerät.
„Die EU wird sich überlegen müssen, wie sie auf diese Entwicklung reagiert“, erklärt Rasmus Andresen, Mitglied des Europaparlaments. Ohne eine internationale Lösung könnten nationale Alleingänge wieder zunehmen – und das transatlantische Verhältnis belasten.
Deutschland: Kaum Auswirkungen auf den Haushalt
Für die deutschen Staatsfinanzen ist das Scheitern der globalen Mindeststeuer weniger dramatisch als zunächst angenommen. Ursprünglich ging man von zusätzlichen Einnahmen von bis zu 5,7 Milliarden Euro aus.
Doch die Schätzungen wurden 2023 drastisch nach unten korrigiert – auf lediglich 420 bis 950 Millionen Euro. Grund dafür ist die schleppende Umsetzung in anderen Ländern und die Tatsache, dass viele Konzerne ihre Steuerbasis bereits angepasst haben.
Neue Konflikte in Sicht
Die Aufkündigung der Mindeststeuer könnte den internationalen Steuerwettbewerb neu anfachen. „Ohne eine gemeinsame Grundlage drohen wirtschaftliche Konflikte und ein Rückschritt in die Zeiten aggressiver Steuervermeidung“, warnt Alexander Weiss, Steuerexperte bei McKinsey.
Die OECD, die das Abkommen koordinierte, sieht ihre Bemühungen um internationale Kooperation in Steuerfragen gefährdet.
Auch das Projekt einer globalen Milliardärssteuer, das zuletzt von Brasilien im Rahmen der G20-Präsidentschaft vorgeschlagen wurde, dürfte unter Trump keine Zukunft haben. „Internationale Abkommen werden wir nur unterstützen, wenn sie klar in unserem Interesse sind“, so ein Sprecher des Weißen Hauses.
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