Europas Energienetz – ein Flaschenhals für die Zukunft?
Ein profitabler Energieversorger, der vor Problemen warnt – das ist selten. Doch Vattenfall schlägt Alarm: Die europäischen Stromnetze sind nicht auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet. Das Unternehmen meldet für das vierte Quartal einen Nettogewinnrückgang auf 5,1 Milliarden schwedische Kronen (rund 450 Millionen Euro), verglichen mit 5,7 Milliarden Kronen im Vorjahreszeitraum. Hauptgrund sind stark gefallene Strompreise am Spotmarkt in Skandinavien.
Für Vattenfall steht jedoch ein anderes Problem im Fokus: Europas Übertragungsnetz sei zu schwach, um den Wandel zu erneuerbaren Energien effizient zu bewältigen. „Wir brauchen einen Ausbau der Übertragungskapazitäten, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und langfristig unabhängiger zu werden“, erklärt Konzernchefin Anna Borg. Die derzeitigen Engpässe verhinderten, dass günstig erzeugter Ökostrom effizient über die Landesgrenzen hinweg verteilt werde.
Energiewende auf dem Prüfstand – fehlt es an Infrastruktur?
Die Energiewende ist politisch gewollt, doch in der Praxis hakt es. Der Ausbau erneuerbarer Energien bringt einen grundlegenden Wandel mit sich: Während fossile Kraftwerke konstant Energie liefern konnten, sind Wind- und Solarstrom volatil. Überschüsse müssen effizient gespeichert oder über weite Strecken transportiert werden – doch genau hier liegt das Problem.
Europa hat nach wie vor ein Flickenteppich-Stromnetz, das sich nur schwer an die neuen Anforderungen anpasst. Hochleistungstrassen fehlen, Speichertechnologien sind nicht weit genug entwickelt, und Investitionen in die Netzinfrastruktur kommen nur schleppend voran. Schweden produziert beispielsweise oft mehr Wind- und Wasserkraft als das eigene Land verbrauchen kann, doch ohne ausreichende Netzkapazitäten bleibt dieser Strom ungenutzt oder wird zu Dumpingpreisen ins Ausland verkauft.
Steigende Kosten für Atomenergie belasten das Geschäft
Vattenfall, das neben Erneuerbaren auch auf Atomenergie setzt, hat mit einem weiteren Problem zu kämpfen: die teuren Langzeitfolgen der Kernkraft. Die Entsorgung radioaktiver Brennstäbe ist kostspielig, und während viele europäische Länder aus der Atomenergie aussteigen, bleibt die Frage ungelöst, wer für die Nachsorge aufkommt. Die schwedische Regierung hält trotz des europäischen Atomausstiegs teilweise an der Technologie fest, doch die finanziellen Belastungen steigen.
Wirtschaftliche und geopolitische Risiken
Die Energiekrise 2022 hat gezeigt, wie abhängig Europa von fossilen Brennstoffen ist – und wie verwundbar der Kontinent ohne eine verlässliche Infrastruktur bleibt. Vattenfall sieht deshalb nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Risiken.
„Europa muss unabhängiger und sicherer werden“, mahnt Borg.
Der schleppende Netzausbau könnte langfristig dazu führen, dass Länder ihre Klimaziele verfehlen oder teure Notfallmaßnahmen ergreifen müssen, um Stromengpässe auszugleichen.
Vattenfall zeigt mit seinem Quartalsbericht ein grundlegendes Problem der europäischen Energiewirtschaft auf: Die Transformation zur klimaneutralen Stromerzeugung ist in vollem Gange, doch die Infrastruktur hinkt hinterher. Ein gut ausgebautes Stromnetz wäre der Schlüssel, um erneuerbare Energien effizienter zu nutzen und Preisvolatilitäten abzufedern.