Ein milliardenschwerer Markt mit Schattenseiten
Getränkekartons – praktisch, leicht und stapelbar. Mit einem jährlichen Verbrauch von etwa 180.000 Tonnen allein in Deutschland, sind sie aus dem Alltag kaum wegzudenken.
Doch die Kehrseite des Erfolgs ist die Umweltbelastung. Während Glasflaschen recycelbar und stabil sind, bestehen Getränkekartons aus einem komplexen Materialmix: Papier, Aluminium und Kunststoff. Dies macht ihre Wiederverwertung teuer und ineffizient.
Laut dem Branchenverband beträgt die Recyclingquote derzeit 75 Prozent. Die EU-Verpackungsverordnung verlangt jedoch ab 2030 eine Mindestquote von 70 Prozent für recycelbare Verpackungen – bis 2038 soll diese auf 80 Prozent steigen. Für die Getränkekartonindustrie könnte dies existenzbedrohend werden.
Innovative Recyclinganlagen als Rettung?
Um dem Problem zu begegnen, investieren Hersteller wie Tetra Pak und Sig Combibloc massiv in Recyclinginfrastrukturen. Mit 40 Millionen Euro jährlich treibt Tetra Pak die Entwicklung voran.
Seit 2021 betreibt das Gemeinschaftsunternehmen Palurec eine spezialisierte Recyclinganlage in Knapsack, nahe Köln. Eine weitere wurde 2023 in Dessau eröffnet. Beide Anlagen sollen langfristig alle in Deutschland genutzten Getränkekartons verarbeiten können.
Das Prinzip hinter der Technologie ist simpel: In Wasserbecken werden die geschredderten Kartons getrennt. Papierfasern werden zu neuen Produkten wie Pizzakartons verarbeitet, während Aluminium und Kunststoff separiert werden.
Doch die Herausforderung bleibt: Aus gebrauchten Getränkekartons können keine neuen entstehen. Das Aluminium wird in Gussteilen verarbeitet, und die Kunststoffe werden zu Eimern und Rohren.
Kritik an fehlendem Kreislaufsystem
„Es gibt keinen geschlossenen Recyclingkreislauf“, kritisiert Thomas Fischer, Experte der Deutschen Umwelthilfe. Statt echtes Recycling betreibe die Branche Downcycling – Materialien werden in minderwertige Produkte umgewandelt.
Dies untergrabe die Nachhaltigkeitsziele der EU. Zudem bemängelt Fischer die fehlende Motivation der Verbraucher zur korrekten Entsorgung. Viele Kartons landen in der Natur oder im Restmüll.
Lesen Sie auch:
Die Umwelthilfe fordert daher ein Pfandsystem für Getränkekartons. In Spanien wurde dies bereits beschlossen. Hersteller wie Tetra Pak lehnen dies jedoch ab, da die Restinhalte der Verpackungen Hygieneprobleme verursachen könnten. Die Industrie setzt stattdessen auf Aufklärungskampagnen zur Mülltrennung.
Pfandsysteme: Ein realistischer Ansatz?
Die EU empfiehlt in ihrer neuen Verpackungsverordnung ein Pfandsystem auch für Getränkekartons. In Spanien ist dieses bereits geplant und soll 2025 in Kraft treten. Sollte ein solches Modell auch in Deutschland umgesetzt werden, stünde die Industrie vor enormen Herausforderungen – von der Logistik bis zur Hygiene.
Während die Hersteller auf Recyclinganlagen setzen, wächst der Druck, die Infrastruktur für ein europaweites Pfandsystem zu schaffen. „Ohne einheitliche Regelungen und ein klares Kreislaufsystem wird die Branche die ambitionierten EU-Ziele nicht erreichen können“, so Fischer.