Der Konflikt in der Ukraine hat nicht nur zu einer humanitären Krise geführt, sondern auch einen lukrativen Schwarzmarkt für die Flucht vor der Wehrpflicht entstehen lassen. Telegram-Kanäle, die offen Dienste für die unentdeckte Grenzüberquerung anbieten, spiegeln die Verzweiflung vieler junger Männer wider, die um jeden Preis dem Kriegseinsatz entfliehen möchten.
„Grenzüberquerung für Männer aus der Ukraine. Ich biete Garantien durch Kontakte an der Grenze“, verspricht einer der Anbieter, der sich Bohdan nennt.
Die Preise für diese Dienste reichen von 3.000 Euro für einfache Fluchtpläne bis hin zu 14.000 Euro für garantierte Grenzübertritte mit Bestechungsgeldern.
In einer umfangreichen Recherche hat die "Welt am Sonntag" mit mehreren Männern gesprochen, die entweder illegal das Land verlassen haben oder sich innerhalb der Ukraine vor dem Militärdienst verbergen.
Diese Gespräche enthüllen, dass das Geschäft mit der Flucht vor der Wehrpflicht in voller Blüte steht, während die Frontlinien immer weiter ausgedünnt werden.
Trotz der ursprünglichen Welle des Patriotismus und der Freiwilligenmeldungen unmittelbar nach Kriegsbeginn, hat die anhaltende Gewalt viele potenzielle Rekruten abgeschreckt. Heute ist die Stimmung eine andere: Viele suchen nach Wegen, dem Dienst an der Waffe zu entgehen, und nutzen dabei auch Schlupflöcher wie Scheinanmeldungen an Universitäten oder gefälschte Einladungen ins Ausland.
Die personellen Engpässe an den Hauptfrontgebieten sind mittlerweile kritisch. Ukrainer stehen oft einem übermächtigen russischen Aufgebot gegenüber, was die Dynamik an der Front weiter verschärft.
Trotz des Bedarfs an 200.000 neuen Rekruten in diesem Jahr, hinkt die Mobilisierung hinterher, was auch von deutschen Sicherheitskreisen bestätigt wird. Währenddessen steigert Russland seine Truppenstärke signifikant.
Die Erzählungen der Männer, die geflohen sind oder untergetaucht bleiben, zeichnen ein düsteres Bild der gegenwärtigen Lage. Ein junger Mann namens Fedor berichtet, dass er monatelang auf seine Flucht gewartet hat, bevor er über die Grenze nach Rumänien gebracht wurde.
Dort wurde ihm klar gemacht, dass er nicht zurückkehren solle, bis der Krieg vorbei ist. Ein anderer, Dmytro, hat es geschafft, eine Scheinausreise für wohltätige Zwecke zu organisieren, nur um festzustellen, dass die geplanten Veranstaltungen nie stattfinden würden.
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Diese Geschichten sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines größeren Musters, das zeigt, wie tief die Verzweiflung und die Entfremdung von der offiziellen Kriegsführung in Teilen der Bevölkerung sitzen.
Während die ukrainische Regierung versucht, die Lücken zu schließen und die Mobilisierung zu verstärken, suchen viele nach einem Ausweg, der oft in der Illegalität endet.
Die kontroversen Praktiken rund um die Vermeidung der Wehrpflicht werfen wichtige Fragen über die Moral und die Effektivität der gegenwärtigen Mobilmachung auf. In einem Krieg, der bereits so viele Leben gekostet hat, sind die persönlichen Entscheidungen einzelner oft ein Spiegelbild einer zerrissenen Gesellschaft, die nach Frieden sucht, aber gleichzeitig mit der Realität eines unerbittlichen und blutigen Konflikts konfrontiert ist.