Georgien zeigt, was entschlossene Reformen bewirken können. Wo in Deutschland Behördenwege oft undurchsichtig und mühsam sind, hat Georgien seine Bürokratie revolutioniert. In Tiflis zeigt sich der Erfolg im Haus der Gerechtigkeit, einem einzigartigen Verwaltungszentrum, wo Bürger ohne Wartezeiten von Behördengang zu Behördengang „spazieren“ können.
Wer in Georgien eine Firma gründen will, wartet nicht Wochen oder Monate, sondern lediglich einen Tag. Diesen beeindruckenden Wandel verdankt das Land Reformen unter dem ehemaligen Präsidenten Michail Saakaschwili.
Doch auch das Modell Georgien hat seine Schattenseiten, und die letzten Jahre zeigten, dass alte Probleme in neuem Gewand zurückkehren können.
Effiziente Verwaltung als Erfolgsrezept
Die Verwandlung des georgischen Staatsapparats begann 2004. Die Regierung, damals geleitet von Saakaschwili und seinem radikalen Wirtschaftsminister Kakha Bendukidse, ergriff harte Maßnahmen, um den als „gescheiterten Staat“ geltenden Apparat zu modernisieren. Das Ziel: eine Bürokratie, die effizient und korruptionsfrei arbeitet.
„In Georgien läuft alles digital und reibungslos,“ schwärmt Levan Nebieridze, ein Logistikunternehmer.
Selbst in abgelegenen Bergdörfern reisen mobile Verwaltungsteams per Kleinbus an, um den Bürgern behördliche Dienste direkt anzubieten. So etwas ist in Deutschland unvorstellbar.
Drive-Thru-Behörden und minimaler Papierkrieg
Bürger, die in Georgien einen Reisepass beantragen, können diesen sogar am gleichen Tag erhalten – sofern sie bereit sind, eine höhere Gebühr zu zahlen. Ansonsten stehen den Antragstellern Drive-Thru-Schalter zur Abholung zur Verfügung, ähnlich wie bei Fast-Food-Restaurants.
Diese bürgerfreundliche Politik hat Georgien auf Platz sieben der Weltbank-Studie „Doing Business“ gebracht, einen Rang vor Ländern wie Großbritannien und Schweden. Ein Beweis dafür, wie eine klare Fokussierung auf Effizienz und Nutzerfreundlichkeit staatliche Dienstleistungen revolutionieren kann.
Von der Anti-Korruptions-Ikone zur Korruptionsfalle?
Doch das Image des Anti-Korruptionschampions bröckelt. Nach Saakaschwilis Amtszeit wuchs der Einfluss des Unternehmers Bidsina Iwanischwili, der die Regierungspartei „Georgischer Traum“ anführt und den Kurs des Landes zunehmend bestimmt.
Kritiker sehen in ihm den Strippenzieher hinter Gesetzesinitiativen, die die Korruption auf höchster Ebene wieder aufflammen lassen. So öffnete Georgien zuletzt russischen Oligarchen, die im Westen sanktioniert sind, die Tür, um ohne steuerliche Konsequenzen Vermögen ins Land zu transferieren.
Beobachter warnen vor einer „Kleptokratie,“ die Georgiens Weg Richtung EU gefährden könnte.
Bedrohung für die Demokratie und den EU-Beitritt
Das Problem hat längst eine geopolitische Dimension. Die Nähe zur russischen Politik wirft Schatten auf Georgiens pro-europäische Haltung. Während die Bevölkerung das Ziel eines EU-Beitritts verfolgt, sind westliche Staaten alarmiert über Tendenzen, die Georgien wieder näher in die Einflusssphäre Moskaus rücken könnten.
Die Sorge wächst, dass der „georgische Traum“ einer pro-westlichen Zukunft durch den Einfluss Iwanischwilis zum Erliegen kommen könnte.
Alte Probleme in neuer Gestalt
Trotz aller Fortschritte kehrt die Korruption in neuem Gewand zurück – weniger in der alltäglichen Verwaltung, dafür auf höherer Ebene. „Einst als Vorzeigeland gefeiert, hat Georgien nun ein Korruptionsproblem, das den EU-Beitritt blockieren könnte,“ warnt Maia Nikoladze vom Atlantic Council.
Die Reformen Saakaschwilis haben Georgien in Rekordzeit verändert, doch die Rückkehr zur Macht des Establishments und die Gefahr von Missbrauch drohen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erschüttern.
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