Dass die Hurrikan-Saison in diesem Jahr besonders aktiv ausfällt, überrascht niemanden in der Versicherungsbranche. Besonders nicht Tobias Grimm, Klimaexperte bei Munich Re, dem weltweit größten Rückversicherer.
„Es war absehbar, dass wir aufgrund der extrem hohen Oberflächentemperaturen im Atlantik vermehrt mit starken Stürmen rechnen müssen“, erklärt Grimm.
Mit „Milton“, der gerade über die Küste Floridas hinwegzieht, trifft bereits der zweite Hurrikan innerhalb von zwei Wochen auf das Land.
Für die Versicherer ist dies keine unerwartete Entwicklung. Wie bei vielen Naturkatastrophen sind die Schäden enorm, aber für Konzerne wie Munich Re oder Swiss Re dennoch tragbar.
Das Besondere: Trotz der Milliardenschäden stehen die Versicherer gut da und profitieren sogar von den häufigeren Naturkatastrophen. Der Grund: höhere Prämien und ein wachsender Markt.
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Riesenschäden, aber kalkulierbar
Naturkatastrophen wie Hurrikan „Milton“ verursachen in den USA jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Allein in Florida sind mehr als 235.000 Gewerbeimmobilien im Wert von über einer Billion US-Dollar den stürmischen Winden ausgesetzt.
Auch der Privatbereich bleibt nicht verschont: Rund 500.000 Häuser in Tampa Bay und Sarasota könnten beschädigt oder zerstört werden, mit geschätzten Wiederaufbaukosten von 123 Milliarden US-Dollar.
Trotz dieser horrenden Summen sehen die Rückversicherer die Situation gelassen. Historische Erfahrungen und fortschrittliche Risikomodelle helfen dabei, die Verluste abzuschätzen. Selbst im Fall von Schäden in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar wären die Verluste für Munich Re und Co. substanziell, aber nicht existenzbedrohend. „Es ist beherrschbar“, sagt Grimm. Die großen Rückversicherer haben die Kapazitäten, solche Ereignisse abzufedern.
Profite durch höhere Beiträge
Langfristig profitieren die Versicherer sogar von solchen Naturkatastrophen. Die steigenden Risiken und Schäden treiben die Nachfrage nach Versicherungen in die Höhe.
„Die Preise steigen, weil das Bedürfnis nach Schutz wächst“, erklärt Grimm.
Besonders in Regionen wie Florida, die als Hochrisikogebiete gelten, haben sich die Prämien deutlich erhöht. In einigen Teilen des Bundesstaates zahlen Hausbesitzer mittlerweile bis zu 11.000 US-Dollar pro Jahr für eine Gebäudeversicherung.
Doch auch abseits der USA beobachten die großen Versicherer weltweit ein ähnliches Bild: Die Zunahme von Extremwetterereignissen führt dazu, dass Rückversicherer ihre Prämien anpassen können und sich damit höhere Margen sichern. „Wir profitieren von einem anhaltenden Hartmarkt“, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Munich Re. Dies bedeutet höhere Preise und mehr Umsatz für die Branche.
Versicherer ziehen sich teilweise zurück
Trotz des potenziellen Profits gibt es für einige Versicherer Grenzen. Besonders in stark gefährdeten Regionen wie Florida ziehen sich immer mehr Anbieter aus dem Markt zurück. Seit 2022 meldeten sieben Versicherer in Florida Insolvenz an, weil sie die hohen Schadenssummen nicht mehr stemmen konnten. Die Folge: Immer mehr Hausbesitzer bleiben unversichert.
In einigen Regionen sind bereits 15 Prozent der Gebäude nicht mehr durch eine Versicherung geschützt – doppelt so viele wie im Durchschnitt der USA.
Die steigenden Kosten für Versicherungen in diesen Risikogebieten könnten sich langfristig als Problem herausstellen. Viele Eigentümer können sich den Schutz schlicht nicht mehr leisten. Ein im vergangenen Jahr beschlossenes Gesetzespaket soll Abhilfe schaffen, indem es die staatlichen Versicherungsprogramme stärkt, doch die Herausforderungen bleiben immens.
Cat Bonds: Ein spekulativer Markt
Ein besonders riskantes, aber profitables Instrument im Rückversicherungsmarkt sind die sogenannten Catastrophe Bonds (Cat Bonds). Diese Wertpapiere ermöglichen es den Versicherern, Risiken aus Naturkatastrophen an Investoren weiterzugeben. Wenn größere Katastrophen ausbleiben, winken den Investoren hohe Renditen. Im Jahr 2023 stieg der Swiss Re Global Cat Bond Index um 20 Prozent.
Doch wenn ein großer Hurrikan wie „Milton“ eine Großstadt wie Tampa trifft, drohen den Investoren hohe Verluste. „Die potenziellen Verluste könnten größer sein als beim Hurrikan ‚Ian‘“, warnt Tanja Wrosch, Expertin bei Twelve Capital AG. Cat Bonds bleiben also ein doppeltes Risiko: Entweder profitiert man von der Ruhe – oder verliert, wenn der nächste Sturm zuschlägt.
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