Kurz nach dem Ende des ersten Warnstreiks im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn hat die Gewerkschaft GDL ihre Mitglieder zur Urabstimmung aufgerufen. Die Mitglieder sollen darüber entscheiden, ob unbefristete Streiks bei der Bahn und anderen Verkehrsunternehmen stattfinden sollen, teilte die Gewerkschaft am Freitagabend mit. Laut GDL-Chef Claus Weselsky soll mit dieser Maßnahme der Hinhaltetaktik der Arbeitgeber eindeutig entgegengewirkt werden.
Für längere und häufigere Arbeitskampfmaßnahmen müssten sich 75 Prozent der Mitglieder dafür aussprechen. Über den Zeitpunkt und das Ergebnis der Auszählung möchte die Gewerkschaft die Mitglieder gesondert informieren. Die GDL schließt nicht aus, bis zu diesem Zeitpunkt weitere Warnstreiks zu organisieren.
Die Reaktion der Bahn auf die Ankündigung der Gewerkschaft bleibt vorerst aus. Neben dem bundeseigenen Konzern verhandelt die GDL auch mit einigen anderen Unternehmen, darunter der Bahnwettbewerber Transdev. Auch diesem Unternehmen wirft die Gewerkschaft eine Hinhaltetaktik vor.
In dieser Woche hatte die GDL zum ersten Warnstreik im laufenden Tarifstreit bei der Bahn aufgerufen. Von Mittwoch- bis Donnerstagabend waren weite Teile des Fern-, Regional- und Güterverkehrs eingestellt. Weselsky betonte immer wieder, dass er frühzeitig eine Urabstimmung in der Auseinandersetzung anstrebe, um zu verhindern, dass die Bahn gegen Warnstreiks vor das Arbeitsgericht zieht.
Für Warnstreiks ist keine Urabstimmung nötig. Hierbei gelten engere Vorgaben hinsichtlich Dauer und Häufigkeit. Sollten zwei Drittel der Gewerkschaftsmitglieder bei der Urabstimmung zustimmen, hätte Weselsky für längere und häufigere Arbeitskämpfe freie Hand.
Es ist noch offen, wie es am Verhandlungstisch weitergeht. Der Auftakt der Tarifverhandlungen beim Bahnkonzern endete letzte Woche ohne inhaltliche Ergebnisse. Ursprünglich sollten die Gespräche diese Woche fortgesetzt werden, wurden jedoch nach dem Warnstreikaufruf der GDL abgesagt. Laut Personalvorstand Martin Seiler könne man nicht gleichzeitig verhandeln und streiken.
Die nächste Verhandlungsrunde soll für Donnerstag und Freitag in der nächsten Woche terminiert sein. Die Bahn hat bereits angekündigt, den Termin einzuhalten, solange die GDL nicht erneut zum Arbeitskampf aufruft.
Die Gewerkschaft fordert unter anderem eine Gehaltserhöhung von 555 Euro pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Der Knackpunkt der Verhandlungen ist die Forderung nach einer Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden bei Schichtarbeitern bei vollem Lohn. Weselsky ist der Ansicht, dass nur so die Attraktivität dieser Berufe gesteigert werden könne.
Die Bahn lehnt diese Forderung als unerfüllbar ab. Sie bietet eine Entgelterhöhung von elf Prozent bei einer Laufzeit von 32 Monaten und die von der GDL geforderte Inflationsprämie an. Nach der ersten Verhandlungsrunde und dem ersten Arbeitskampf sind beide Seiten von einer Einigung noch weit entfernt.