Ein politischer Schachzug oder ökonomischer Reflex?
Am Samstag erreicht eine Nachricht Österreichs Energiesektor, die das ohnehin fragile Gleichgewicht der europäischen Energiepolitik erschüttert: Gazprom stellt die Gaslieferungen an die OMV ein.
Hintergrund ist ein Schiedsgerichtsurteil der Internationalen Handelskammer, das Gazprom zur Zahlung von 230 Millionen Euro an die teilstaatliche OMV verpflichtete.
Die OMV hatte daraufhin erklärt, künftige Gaslieferungen als bezahlt anzusehen, bis die Summe beglichen ist. Moskau reagiert – und dreht den Gashahn zu.
80 Prozent russisches Gas – ein riskanter Schnitt
Österreich hat lange an russischem Erdgas festgehalten. Noch 2024 betrug der Anteil russischen Gases an der Gesamtversorgung etwa 80 Prozent – eine Quote, die in der EU nahezu einmalig ist.
Doch nun steht das Land vor einer historischen Wende. Die OMV und die Regulierungsbehörde E-Control versichern zwar, dass trotz des Lieferstopps keine akute Gas-Mangellage drohe. Doch wie belastbar sind diese Zusicherungen wirklich?
Gasspeicher als Sicherheitsnetz – Wie lange hält Österreich durch?
Ein entscheidender Faktor für Österreichs Energiesicherheit sind die prall gefüllten Gasspeicher. Mit einer Füllrate von 90 Prozent – das entspricht etwa 95 Terawattstunden – könnte der heimische Bedarf für ein Jahr gedeckt werden.
Auch alternative Lieferquellen wie norwegisches Gas, Eigenproduktion und Flüssigerdgas (LNG) aus Deutschland und Italien wurden seit Beginn des Ukraine-Kriegs aufgebaut. Doch Experten warnen: Die Speicher sind ein Puffer, kein Ersatz für langfristige Lieferströme.
Das Ende einer Ära: Österreich und Russland driften auseinander
Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Russland im Gassektor reicht bis ins Jahr 1968 zurück. Doch spätestens mit dem Auslaufen des Transitvertrags für russisches Erdgas über die Ukraine und die Slowakei Ende 2024 steht diese Beziehung vor dem Aus.
Die geopolitischen Spannungen und der Druck, europäische Energiequellen zu diversifizieren, machen eine Verlängerung des Vertrags nahezu unmöglich.
Politische Reaktionen und wirtschaftliche Folgen
Österreichs Kanzler Karl Nehammer will noch am Abend zur Situation Stellung nehmen. Die Energiekrise bleibt ein heikles Thema in der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere nach den Erfahrungen des Winters 2022. Damals sorgten steigende Preise und Unsicherheiten über die Versorgungslage für politischen Druck auf die Regierung.
Die OMV hat sich seit drei Jahren auf ein Szenario wie dieses vorbereitet. Die Diversifizierung der Lieferquellen und der Fokus auf LNG scheinen Früchte zu tragen. Doch die eigentliche Herausforderung wird es sein, die Kostensteigerungen abzufedern und die Energieversorgung langfristig auf eine breitere Basis zu stellen.