03. Februar, 2025

Märkte

Gasmarkt auf dem Kopf – warum sich die Speicher so schnell leeren

Die Gasspeicher in Deutschland leeren sich schneller als erwartet. Dahinter steckt kein ungewöhnlicher Winter, sondern ein gestörter Marktmechanismus.

Gasmarkt auf dem Kopf – warum sich die Speicher so schnell leeren
Schneller als erwartet – Deutschlands Gasspeicher sind nur noch zu 58 Prozent gefüllt, obwohl der Winter mild war.

Noch vor wenigen Monaten galten die deutschen Gasspeicher als eine der stabilsten Säulen der Energieversorgung. Heute schmilzt der Vorrat rapide – und das, obwohl es bislang nicht einmal außergewöhnlich kalt war.

Von den einst gut gefüllten Speichern sind nur noch 58 Prozent übrig, die niedrigsten Werte in Europa.

Ein alarmierendes Signal? Nicht unbedingt, sagt die Branche. Deutschland sei weiterhin auf der sicheren Seite. Doch ein Blick hinter die Zahlen zeigt: Das Problem liegt nicht im Wetter, sondern in einer verzerrten Marktdynamik.

Ein ungewöhnlicher Preisverlauf am Gasmarkt

Normalerweise funktioniert der Gashandel nach einem einfachen Prinzip: Im Sommer wird günstig eingekauft, im Winter teuer verkauft. Doch in diesem Jahr steht dieses Modell auf dem Kopf.

Die Sommerpreise liegen über den Winterpreisen – ein seltenes Phänomen. Für Händler bedeutet das: Es lohnt sich nicht mehr, Gas über den Sommer zu speichern. Stattdessen werden Reserven jetzt schon abgebaut, um später keine teuren Lagerkosten tragen zu müssen.

Paradoxer Markt – Gas ist im Sommer teurer als im Winter. Speicherbetreiber reagieren, indem sie Reserven frühzeitig abbauen.

Dieser Mechanismus sorgt für paradoxe Effekte: Während die LNG-Terminals fast ungenutzt bleiben, entnehmen Versorger Gas aus den Speichern.

Wie gefährlich ist der Ukraine-Transit-Stopp wirklich?

Ein weiterer Faktor, der die Märkte in Bewegung bringt, ist das Ende des Ukraine-Transits. Seit Januar fließt kein russisches Gas mehr über die Ukraine nach Europa. Doch obwohl diese Route jahrzehntelang eine der wichtigsten für den Kontinent war, bleibt die Versorgung stabil.

Deutschland hat sich inzwischen massiv auf norwegisches Gas und LNG-Lieferungen aus den USA und Katar umgestellt. Zudem hat die Regierung strenge Mindestfüllstände für die Gasspeicher eingeführt.

„Eine Gasmangellage ist in diesem Winter ausgeschlossen“, beruhigt die Initiative Energien Speichern (INES).

Selbst bei einem kalten Frühjahr würden die Vorräte ausreichen.

Doch was passiert im nächsten Winter?

Das Speicherproblem: Eine Frage der Kosten

Das größte Risiko ist nicht die Verfügbarkeit von Gas, sondern der Mechanismus, nach dem es gespeichert wird. Denn das gesetzliche System zwingt die Marktteilnehmer in eine schwierige Lage:

  • Die Regierung schreibt vor, dass die Speicher bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein müssen.
  • Gashändler müssen also im Sommer kaufen – selbst wenn die Preise hoch sind.
  • Das bedeutet: Die Nachfrage im Sommer ist garantiert, egal wie teuer das Gas ist.

Ein gefundenes Fressen für Verkäufer: Wer weiß, dass jemand kaufen muss, kann den Preis diktieren. Das erklärt, warum die Sommerpreise am Terminmarkt so hoch sind.

Norwegen als neue Abhängigkeit – Die Hälfte des importierten Gases kommt inzwischen aus dem Norden. Was, wenn die Pipeline ausfällt?

THE als letzte Rettung?

Wenn die Gashändler sich weigern, Speicher zu füllen, springt ein Akteur ein: Trading Hub Europe (THE).

Das Unternehmen hat den gesetzlichen Auftrag, die Mindestfüllstände sicherzustellen – und muss Gas „um jeden Preis“ kaufen, falls der Markt nicht mitzieht. Doch diese Kosten trägt nicht der Staat, sondern die Verbraucher – über die Gasspeicherumlage.

Derzeit liegt die Umlage bei 2,99 Euro pro Megawattstunde. Doch sollte die THE gezwungen sein, große Mengen Gas teuer einzukaufen, könnte sie steigen.

Sabotagegefahr – ein weiteres Risiko?

Die Abhängigkeit von Norwegen ist inzwischen fast so hoch, wie sie einst von Russland war. Und mit der wachsenden geopolitischen Unsicherheit stellt sich eine Frage: Was, wenn die norwegischen Pipelines angegriffen werden?

In den letzten Wochen gab es mehrfach Zwischenfälle in der Ostsee. Russische Frachtschiffe beschädigten wichtige Daten- und Stromkabel. Sollten ähnliche Aktionen gegen Pipelines gerichtet werden, könnte das Gasnetz Europas auf eine harte Probe gestellt werden.

Doch selbst für diesen Fall hat die Regierung Pläne in der Schublade. Experten haben berechnet: Selbst wenn eine große Pipeline ausfällt, kann der Großteil des Gases umgeleitet oder durch LNG ersetzt werden. Die Folge wäre allerdings ein deutlicher Preisanstieg.

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