Für den deutschen Mittelstand ist die Commerzbank seit Jahren eine Bank, die mehr als nur Kredite anbietet. Das Institut versteht die besonderen Anforderungen mittelständischer Unternehmen und hat für viele von ihnen eine Schlüsselrolle bei Finanzierungen und Investitionen übernommen.
Doch die geplante Fusion mit der italienischen Unicredit sorgt für Verunsicherung: Könnte diese Übernahme die vertrauten Strukturen zerstören? Einige Unternehmer befürchten genau das.
Vertrauen durch Nähe und Verständnis
Für Unternehmen wie den Bremer Technologiekonzern OHB ist eine Bank, die den Mittelstand versteht, entscheidend. „Die Commerzbank begleitet uns seit Jahren zuverlässig“, erklärt Kurt Melching, Finanzvorstand des Satellitenbauers.
Die Zusammenarbeit sei persönlich und vertrauensvoll – Eigenschaften, die bei vielen Großbanken verloren gingen. „Die Commerzbank bringt den nötigen Mittelstandsfokus und die Kompetenz mit, um langfristige und oft komplizierte Projekte zu unterstützen.“
Im ländlichen Raum sieht es ähnlich aus. Andreas Krey, Geschäftsführer der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen, sieht im Rückzug der Commerzbank aus den deutschen Regionen eine „wirtschaftliche Katastrophe“.
Gerade dort, wo andere Banken nicht präsent sind, brauche man eine Institution, die Nähe und Verständnis für die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen mitbringt. Für Thüringen wäre das Wegfallen der Commerzbank in der Fläche verheerend: „Unicredit fände hier kaum statt,“ warnt Krey.
Konkurrenzdruck oder Monopol?
Ein weiterer Aspekt, der Unternehmer beunruhigt, ist der Wettbewerb. Durch die Unabhängigkeit von Commerzbank und Unicredit konnten Unternehmen bislang bei Finanzierungen und Kreditkonditionen mit beiden Banken verhandeln und dabei oft bessere Angebote herausschlagen.
Dieser Konkurrenzdruck könnte nach einer Fusion verschwinden. Für Unternehmen wie OHB, die auf flexible und wettbewerbsfähige Finanzierungsoptionen angewiesen sind, wäre das ein deutlicher Nachteil.
„Wird aus zwei Anbietern einer, sinkt der Druck auf die Konditionen“, meint Melching. Gerade bei Großprojekten, die Millionen verschlingen, kann das für den Mittelstand langfristig problematisch werden.
Das Produktportfolio könnte sich verschieben, vertraute Ansprechpartner könnten durch Einsparungen wegfallen, und die Aufmerksamkeit könnte sich von Deutschland auf die internationalen Märkte verlagern.
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Reaktionen in der Politik: Commerzbank als systemrelevant
In der Politik hat das Thema bereits Wellen geschlagen. Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU fordern eine Sonderstellung der Commerzbank als „systemrelevantes Institut für den Mittelstand“.
Sie warnen vor den Folgen eines Verkaufs an die italienische Unicredit, der, so die Sorge, ein Großteil des Kerngeschäfts mit dem deutschen Mittelstand fehlen würde. Die Regierung sieht die Commerzbank als einen wichtigen Bestandteil des deutschen Bankensystems, der nicht durch eine Rendite-fokussierte Bank ersetzt werden kann.
Eine Zukunft ohne Commerzbank?
Die Meinungen zur Notwendigkeit der Commerzbank als eigenständiges Institut gehen auseinander. Während manche Unternehmen auf die Commerzbank als wichtigste Finanzierungspartnerin zählen, verweisen andere auf den allgemeinen Wettbewerb am Bankenmarkt, der weiterhin existiert.
Banken, die den Mittelstand betreuen wollen, gibt es weiterhin genug, so die optimistischeren Stimmen. Doch viele befürchten, dass gerade bei den komplexen Themen wie Digitalisierung, energetischer Sanierung und finanzieller Restrukturierung die Expertise und Nähe der Commerzbank fehlen würde.